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AKTIEN

Aktien: Navigieren durch kritische Signale?

Von Alexander Roose,
CIO Fundamental Equity bei DPAM

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5 Kernaussagen für 2020

  • Die Aktienmärkte dürften eine leicht positive Entwicklung verzeichnen, wobei die Eurozone eine Outperformance erzielen sollte.
  • Kurzfristig bessere Wertentwicklung von Value Titeln, weiterhin auf disruptive Entwicklungen achten.
  • Nicht nur negative Auswirkungen des Handelskrieges.
  • Thematisch & langfristig denken.
  • ESG-Integration wird wichtiger, qualitative Analyse ist entscheidend.

Jetzt, wo sich das Jahr 2019 dem Ende neigt, ist es Zeit, auf ein besonderes Jahr für Aktien zurückzuschauen und einen Blick auf den Weg vor uns zu werfen. Darüber hinaus werden wir auf die weitere langfristige Perspektive für fundamental orientierte Aktienanleger eingehen.

Trotz der Rezessionsängste, die Ende 2018 im Wesentlichen auf die Besorgnis über den Handelskonflikt zwischen China und den USA zurückzuführen war, entwickelte sich der MSCI World sehr gut (+25% zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments). Glücklicherweise stellte die Kehrtwende der US-Notenbank Fed im Januar die makroökonomische Besorgnis weitgehend in den Hintergrund. Und dennoch, wenn Anleger die Märkte übertreffen wollen, dient das Jahr 2019 als gute Gedächtnisstütze dafür, dass makro-geopolitische Erwägungen nicht unbedingt das beste Fundament abgeben, um seine Anlageentscheidungen darauf zu stützen. Seit 2008 vertrauen einige Anleger übermäßig in die Verfassung des Makroumfeldes, die in der ständigen Angst zu leben scheinen, dass ein weiterer Weltuntergang unmittelbar bevorsteht. Stattdessen enthielt, als die US-Renditekurve sich dieses Jahr vorübergehend umkehrte und erneut Rezessionsängste aufflammten, unsere CIO‘s View-Ausgabe vom August folgende Botschaft: „Wir ziehen es vor, den Durchblick zu behalten und uns an Fundamentaldaten zu orientieren anstatt Ängsten und Emotionen zu folgen und Phasen der Volatilität zu nutzen, um unseren Portfolios langfristige Überzeugungen hinzuzufügen.“

Allerdings lehnen wir die Makrosichtweise nicht gänzlich ab, wenn es um die Verwaltung von Aktienportfolios geht. Wir gehen aus taktischen Gründen durchaus darauf ein oder immer dann, wenn ein wesentlicher Zusammenhang mit einigen unserer langfristigen Überzeugungen besteht. Das Thema Demographie und die ganze Debatte über seine Erschwinglichkeit sind ein treffendes Beispiel: Einerseits bringt es uns dazu, Unternehmen oder Unterthemen zu privilegieren, die sich auf wertbasierte Gesundheitslösungen konzentrieren (wie z.B. häusliche Krankenpflege oder ausgewählte Medizintechnik-Unternehmen). Andererseits haben wir unsere Gewichtung von Basiskonsumgütern in einigen unserer Portfolios seit August konsequent reduziert. Wir sind überzeugt, dass die Wachstumsprognosen aufgrund nachlassender Sorgen über den Handelskonflikt, einer günstigen Geldpolitik und der Wahrscheinlichkeit künftiger Konjunkturprogramme besser werden und infolgedessen für einen Anstieg der langfristigen Zinsen sorgen. Tendenziell sind langfristige Zinsen mit Basiskonsumgütern negativ korreliert. Nach dem Ausverkauf im August ergaben sich jedoch attraktive Einstiegspunkte, infolgedessen wir verschiedene zyklische Unternehmen in unsere Portfolios aufnahmen.

Wenn wir uns näher mit der Wertentwicklung dieses Jahres befassen, treten insbesondere folgende Punkte in den Vordergrund:

  • Die anhaltende überdurchschnittliche Wertentwicklung der US-Märkte.
  • Die herausragende Performance von Halbleitertiteln– trotz negativer Gewinnkorrekturen von 10%.
  • Die schwache Performance des Energiesektors aufgrund seitwärts tendierender Ölpreise und anhaltender ESG-Befürchtungen.

 

Die Outperformance der US-Indizes war der entscheidende Trend an den Aktienmärkten in den vergangenen zehn Jahren. 2019 bildete keine Ausnahme. Der S&P500 weicht in seiner Zusammensetzung deutlich vom MSCI Europe ab. Diese Abweichung erklärt in weiten Teilen die zunehmende Abweichung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Bei näherer Betrachtung beider Indizes fällt auf, dass die negativen bzw. positiven Auswirkungen der Disruption ebenfalls sehr unterschiedlich ausfallen. Nachdem wir jeden GICS1-Sektor eingehend analysiert haben, rechnen wir damit, dass nahezu 30% des US-Index beeinträchtigt sind oder möglicherweise beeinträchtigt sein werden. Allerdings liegt dieser Wert in der EU mit 40% noch höher. Demgegenüber haben die USA einen wesentlich höheren Anteil an disruptiven Unternehmen als die EU in der verbleibenden nicht-disruptiven Indexgewichtung. Bei der Gegenüberstellung dieser nicht-disruptiven Sektoren („sonstige Sektoren“ in der nachstehenden Grafik) fällt auf, dass die Bewertung im Sinne des Kurs-Gewinn-Verhältnisses zwischen den USA und Europa ähnlich ist.

KGV-Entwicklung anhand der Industriegewichtungen (ohne Immobilien) des MSCI USA

Quelle: MSCI, Bloomberg, DPAM

Interessant ist, dass eine Bewertung mittels des Kurs-Gewinn-Verhältnisses alles andere als perfekt ist. Sie übersieht die Kapitalintensität eines Unternehmens oder Sektors sowie die sich daraus ergebende Fähigkeit, freie Cashflows zu generieren und diese in das Unternehmen zu reinvestieren. Wir bevorzugen langfristige Anlagen in wenig kapitalintensive Unternehmen (siehe nachstehende Grafik). Erneut stellen die USA Europa in den Schatten: Knapp 44% der US-Unternehmen sind wenig kapitalintensiv. In Europa liegt dieser Wert bei knapp 33%.

Performance kapitalintensiver und nicht-kapitalintensiver Sektoren
Summe global unter Berücksichtigung von Vermögen/Beschäftigung, Nettoergebnis/Vermögenswerte, Nettoergebnis/Capex

Quelle: Datastream, Worldscope, Goldman Sachs Global Investment Research

Capital Intensive Sectors: Forestry & Paper, Industrial Metals & Mining, Automobiles & Parts, Leisure Goods, Construction & Materials, Oil Equipment & Services, Fixed Line Telecommunications, Electricity, Gas, Water & Multiutilities. Non Capital Intensive Sectors: Beverages, Food Producers, Household Goods & Home Construction, Personal Goods, Tobacco, General Retailers, Health Care Equipment & Services, Pharmaceuticals & Biotechnology, Software & Computer Services, Technology Hardware & Equipment

Veranlasst uns das Vorstehende, von einer anhaltenden US-Outperformance im Jahr 2020 auszugehen? Zwar sehen wir davon ab, über einen solch kurzfristigen Zeitraum zu investieren (beispielsweise halten wir Positionen in unseren Fonds über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren), doch rechnen wir damit, dass die EU-Märkte die USA im Jahr 2020 übertreffen werden. Ersteren werden die Entspannung in den Handelsgesprächen und die Zerstreuung der Brexit-Sorgen zu Gute kommen. Vor allem Deutschland wird von diesen beiden Faktoren unverhältnismäßig profitieren. Darüber hinaus weht an der Spitze der Europäischen Kommission und der EZB ein neuer Wind, der härtere finanzpolitische Maßnahmen mit sich bringen könnte als erwartet. Aufgrund der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen und des angehenden Impeachment-Verfahrens rechnen wir jedoch nicht mit finanzpolitischen Anreizmaßnahmen der USA. Anders als 2019 muss das Jahr 2020 ein gewisses Gewinnwachstum ausweisen, obgleich durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnisse relativ attraktiv bleiben. Doch die nachstehende Grafik zeigt eindeutig auf, dass man die Wertentwicklung von Aktien im Jahr 2020 nicht unbedingt auf Kurs-Gewinn-Verhältnisse stützen sollte. Die Quadranten oben rechts und unten links zeigen keine Korrelation zwischen den Kurs-Gewinn-Verhältnissen des S&P500 zum Jahresbeginn und ihrer Wertentwicklung in den kommenden zwölf Monaten.

Bewertung

Quelle: Baird

Sofern es nicht zu einem katastrophalen Ergebnis der „Phase 1“-Handelsgespräche zwischen den USA und China kommt, rechnen wir in 2020 mit positiven Wertentwicklungen bei Aktien. Zudem gehen wir von einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung der europäischen Märkte aus, unterstützt durch wiederkehrende Nettozuflüsse in Aktien, die 2019 weitgehend ausgeblieben waren. Unsere Botschaft für langfristige Anleger vom August ist somit weiterhin gültig:

Wir bevorzugen Anlagen in erstklassigen Unternehmen, die in der Lage sind, ihren Umsatz im Zyklusverlauf zu steigern, Wettbewerbsvorteile und eine relativ niedrige Fremdverschuldung aufweisen, weniger anfällig für disruptive Kräfte und idealerweise in der Lage sind, von den sogenannten nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) zu profitieren.

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