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NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeitsausblick – Konkret handeln

2020: Regulierung, Klima und Menschenrechte im Mittelpunkt

Von Ophélie Mortier,
Responsible and Sustainable Investment Strategist bei DPAM

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Wichtigste Erkenntnisse

  • Die Rolle von Regulierung und politischen Maßnahmen wird 2020 eindeutig eine sehr hohe Priorität genießen.
  • Der Klimawandel bestimmt weiterhin die Diskussion unter Anlegern, Regulierungsbehörden und politischen Entscheidern. Der Hauptfokus hat sich auf die physischen Risiken des Klimawandels, den Innovationsbedarf sowie auf die Frage des Recyclings verlagert.
  • Greifbare Maßnahmen: Die Suche nach Auswirkungen (Impact) und belastbaren Belegen für die Umsetzung von ESG-Kriterien hat zuletzt zunehmend an Bedeutung gewonnen.
  • Nachhaltigkeitsstrategien sollten über die elementare Berichterstattung hinaus betrachtet werden. Von entscheidender Bedeutung ist nach wie vor, dass die Herausforderungen in Verbindung mit ESG-Daten bewältigt werden. Standardisierte Rahmenbedingungen für den Informationsaustausch könnten die neue Norm werden.

Da sich das Jahr 2019 dem Ende neigt, werfen wir einen Blick auf die anstehenden Themen und erörtern, welche davon die Märkte im Jahr 2020 wahrscheinlich dominieren werden. Die Rolle von Regulierung und politischen Maßnahmen wird, auch wenn sie bereits 2019 relevant war 2020 eindeutig eine sehr hohe Priorität haben. Wir rechnen mit einem deutlichen Anstieg gesetzlicher Maßnahmen, deren Ziel ein beschleunigter Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft ist.

Zwar wird der Klimawandel nach wie vor eine zentrale Rolle spielen, doch setzen sich zahlreiche Befürworter für eine stärkere Fokussierung auf die mit der Bekämpfung von Umweltproblemen im Allgemeinen und dem Klimawandel im Besonderen verbundenen Sozialkosten ein. Die soziale Dimension ist nach wie vor ein wesentlicher Faktor in den ESG-Analysen. Insbesondere Menschenrechte werden zunehmend zum zentralen Anliegen von Interessengruppen.

Offensichtlich wird der Klimawandel weiterhin die Diskussion unter Anlegern, Regulierungsbehörden und politischen Entscheidern bestimmen. Zwar steht das Thema bereits seit Jahren im Mittelpunkt, doch hat sich der Hauptfokus ein wenig auf die physischen Risiken des Klimawandels, den Innovationsbedarf sowie die Frage des Recyclings verlagert.

Nicht blumig reden – handeln. In den vergangenen Jahren wurden wir Zeuge der Entstehung verschiedener Initiativen im Zusammenhang mit Kooperation, Lobbying, Investitionen, Rechte von Aktionären usw. Zwar ist es diesen Initiativen nicht selten gelungen, Bewusstsein zu verbreiten, doch neigen sie dazu, in der Sache abstrakt zu bleiben. Heute sind Anleger und Interessengruppen auf der Suche nach Fakten und greifbaren Maßnahmen. Es ist an der Zeit, die praktischen Auswirkungen aufzuzeigen. Dies gilt auch für Diskussionen über Nachhaltigkeitsstrategien und nachhaltige Produkte. Die Suche nach Auswirkungen und belastbaren Belegen für die Umsetzung von ESG-Kriterien hat zuletzt zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dieser Trend dürfte in den kommenden Jahren für Aktionäre eine entscheidende Bedeutung erlangen.

REGULIERUNG – DIE UNVERMEIDLICHE ROLLE DER POLITIK

Wir sind Zeuge einer beeindruckenden regulatorischen Beschleunigung geworden, die von der Europäischen Kommission und ihrem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen auf den Weg gebracht worden ist. Dieser Aktionsplan, der als ein Beispiel für ambitionierte Politik gefeiert wurde, wird weltweit vorgestellt und debattiert, um Regulierungsbehörden und politische Entscheider global zu ermutigen, ebenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

Tatsächlich ist es in den vergangenen 15 Monaten den europäischen Einrichtungen gelungen, eine „grüne“ Taxonomie, eine Regulierung von Benchmarks für die CO2-Reduzierung bzw. positive CO2-Auswirkungen sowie eine Offenlegungsregulierung in Verbindung mit nachhaltigen Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken vorzuschlagen.

Auf dem Weg zu Netto-Nullemissionen

Darüber hinaus hat die neue Europäische Kommission gerade ihren „European Green Deal“ vorgestellt, der einen Meilenstein ihrer Nachhaltigkeitspolitik bildet. Vorrangiges Ziel dieser Initiative ist ein Anpassungsmechanismus für CO2-Grenzwerte für bestimmte Sektoren. Als nächstes wird Europas erstes Klimaschutzgesetz bis März 2020 erwartet. Ferner versucht Europa, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Darüber hinaus werden höhere und aggressivere Dekarbonisierungsziele bis 2030 gefordert, wobei ein Augenmerk auf dem Erreichen von Netto-Nullemissionen liegt.

Die Maßnahmen der EU lösten einige Besorgnis im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen aus. Diese Sorge ist vor allem auf die Nutzung von Schlupflöchern zurückzuführen, d.h. das Risiko einer Verlagerung der Produktion in andere Länder aufgrund der relativen Kosten von CO2-Bepreisungsregelungen. Dies stellt für Europa ein großes Risiko dar, da ein bedeutender Anteil der europäischen Unternehmen Verlagerungen ins Ausland vornehmen könnte, um die jüngsten Regulierungsvorgaben des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) zu umgehen. Bereits heute gibt es 51 individuelle CO2-Bepreisungsregelungen weltweit. Die Bildung eines weltweit einheitlichen CO2-Preises ist sehr unwahrscheinlich. Verschiedene renommierte Volkswirte, Nobelpreisträger und ehemalige US-Notenbankchefs haben in ihrer Erklärung „Economists’ Statement on Carbon Dividends“ eine CO2-Grenzwert-Steuer vorgeschlagen.

Ihre zentrale Idee regt zur Einführung einer inländischen CO2-Steuer an, die von einer CO2-Grenzwert-Steuer begleitet wird, um sicherzustellen, dass die inländische Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird.

Die zunehmende Einbeziehung von Zentralbanken

Dekarbonisierung, insbesondere mit dem Ziel von Netto-Nullemissionen, erfordert raschere politische Entscheidungen. Die Zentralbanken sowie die Finanz- und Währungsbehörden, die den inneren Kern des Finanzsystems bilden, tragen ebenfalls eine Verantwortung bei der Umsetzung dieses Konzepts. Die Bank of England, Frankreich und die Niederlande begründeten gemeinsam das Network for Greening the Financial System (NGFS), um der Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens Nachdruck zu verleihen.

Unvermeidliche politische Eingriffe

Das Bewusstsein und die zunehmende Dynamik in Verbindung mit Klimafragen führen in der nächsten Zeit zu einer erhöhten und zunehmend ehrgeizigen Regulierung. In den USA weisen die jüngsten Diskussionen darauf hin, dass der Klimawandel ein entscheidendes Thema in den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen werden könnte, was einen weiteren Wendepunkt zugunsten gesetzlicher Maßnahmen darstellen würde. Basierend auf der Feststellung, dass die Kapital- und Finanzmärkte keine angemessene Bepreisung des CO2-Risikos vornehmen, sieht das Projekt „Inevitable Policy Response (IPR)“ der Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI) der Vereinten Nationen eine Antwort bis 2025 vor, die aufgrund der vorangegangen andauernden Untätigkeit nachdrücklich und abrupt ausfallen wird.

MENSCHENRECHTE – AUCH DIE FINANZWELT HAT EINE VERANTWORTUNG

Der Klimawandel hat wesentlichen Einfluss auf die zunehmende Regulierung der Finanzwelt. Wir rechnen damit, dass Menschenrechte ähnliche Auswirkungen haben werden. Unternehmen, und zwar sowohl Finanz- als auch Nicht-Finanzunternehmen, müssen für ihre potentielle Verletzung von grundlegenden Menschenrechten zur Rechenschaft gezogen werden. Solche Verletzungen können sein: Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Menschenhandel und weitere sklavereiähnliche Praktiken.

Die Liechtenstein-Initiative, die Finanzsektor-Kommission über moderne Sklaverei und Menschenhandel, wurde im September 2018 gegründet. Seitdem ist die Verantwortung von Unternehmen im Hinblick auf dieses Problemfeld formell anerkannt. Ihre Blaupause zur Mobilisierung gegen Sklaverei und Menschenhandel (www.fastinitiative.org) fordert den Finanzsektor auf, folgenden Prinzipien zu entsprechen:

  • Einhaltung von Bestimmungen zur Bekämpfung von Sklaverei und Menschenhandel.
  • Verantwortliche Kreditvergabe- und Anlagepraktiken.
  • Finanztechnologie-, finanzielle Eingliederungs- und Regulierungsmodelle.
  • Verantwortliche Regelungen zu Geschäftsführungsvereinbarungen und -sanktionen.

 

KLIMAWANDEL – NOCH WEITER VORANGEHEN

Ganz offensichtlich zählen Klimafragen im Jahr 2020 und darüber hinaus weiterhin zu den dringendsten Angelegenheiten.

Regulierungs- und Aufsichtsbehörden haben das wirtschaftliche Risiko formell anerkannt. Daher befasst sich die Debatte nicht länger mit der Frage, ob wir es in unsere Finanzbewertungsmodelle aufnehmen sollten. Vielmehr sollten wir jetzt den Fokus darauf richten, wie wir diesen Faktor am besten integrieren. Derzeit optimieren Bewertungsmodelle und -analysen ständig ihre Berechnungsmethoden, um eine klarere Unterscheidung zwischen physischen und Übergangsrisiken zu ermöglichen.

Infolge der überwältigenden Fokussierung auf den Klimawandel hat sich unser Augenmerk inzwischen auf innovative Lösungen und Investitionen gerichtet. In puncto Lösungen gewinnen die (noch umstrittenen) Kohlenstoffbindungs- und -speicherungsprogramme immer größere Bedeutung. Weitere Optionen konzentrieren sich auf die CO2-Kompensation. Heute ist damit vorwiegend die Aufforstung gemeint oder, in einem geringeren Umfang, die Wiederaufforstung. CO2-Beseitigungstechnologien befinden sich noch immer in der Erforschungsphase, aber es ist wahrscheinlich, dass diese Lösungen in der nahen Zukunft fortschreitend an Bedeutung gewinnen. Im Sinne der Skalierbarkeit erfordern sie umfangreiche finanzielle Rückstellungen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass CO2-Beseitigungstechnologien keinesfalls eine Universallösung darstellen. Stattdessen dienen sie als ergänzende Alternative zu weiteren umweltfreundlichen Optionen. Daher sind sie definitiv keine Ausrede, um in unseren Anstrengungen hinsichtlich Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Emissionssenkungen usw. nachzulassen.

JETZT HANDELN – AUSWIRKUNGEN UND ERGEBNISSE

Wenn die moderne Welt kompliziert und komplex ist, wie dies Wladimir Putin Greta Thunberg bescheinigte, dann sind Zeit und Geduld keine Lösung. Es besteht die dringende Notwendigkeit eines „Eilübergangs“ innerhalb des Finanzsystems. Darum ist es so wichtig, jetzt zu handeln. Dieses Dringlichkeitsbewusstsein wurde in ähnlicher Weise bereits auf dem Pariser PRI-Weltklimagipfel im September 2019 widergespiegelt.

Immer mehr Initiativen entstehen nicht nur zum Klimawandel, sondern zu den Themen Menschenrechte, Lieferketten, Corporate Governance usw. Ihre beeindruckende Anzahl ist sowohl positiv als auch vielversprechend. Doch die Zeit für neue Initiativen liegt möglicherweise bereits hinter uns. Es ist Zeit, auf ihre Ergebnisse zu schauen und zu zeigen, welche praktischen Vorteile sie gebracht haben.

Dasselbe gilt auch für sogenannte Nachhaltigkeitsstrategien. Die Zeiten, in denen man lediglich die schlechtesten Unternehmen aus einem Portfolio verbannte, sind vorbei. Die Suche nach positiven Auswirkungen, also ESG-Impact, ist mehr denn je in den Mittelpunkt gerückt.

Dies macht die Bewertung und Messung der Auswirkungen erforderlich, die über eine elementare Berichterstattung hinausgehen. Vor allem sind riesige Datenmengen erforderlich. Anleger sind, was Nachhaltigkeit und verantwortliche Anlagen betrifft, sachkundiger denn je. Ihre Ansätze, Methoden und Standards sind immer detaillierter und ausgereifter geworden. Daher ist unverändert von entscheidender Bedeutung, dass die Herausforderungen in Verbindung mit ESG-Daten bewältigt werden. Anbieter von ESG-Daten gehen heute viel häufiger auf Konfrontationskurs, wenn es um die Relevanz ihrer Bewertungen, ihres Engagements bei Unternehmen und die Vorhersagequalität geht. Diese anspruchsvolle Haltung gegenüber Informationen stellt eine positive Entwicklung dar, da sie sich für exakte Daten und ethisches Verhalten einsetzt. Möglicherweise wird die Offenlegung von ESG-Informationen eine Vorgabe für alle Unternehmen, und zwar für Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen gleichermaßen. Wichtig ist, die Entwicklung der vorgeschlagenen standardisierten Offenlegungsvorschriften zu verfolgen. Die Global Reporting Initiative, das Sustainability Accounting Standards Board (SASB), usw. könnten zur neuen Norm werden. Daher werden Anlageexperten gezwungen sein, sich mit diesen Informationsrahmen selbst vertraut zu machen.

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