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NACHHALTIGE ANLAGEN:
KÖNNTE DIE REGULIERUNG DAS GREENWASHING-PROBLEM LÖSEN?

Von Ophélie Mortier,
Chief Sustainable Investment Officer

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Jüngste Greenwashing-Vorwürfe und sehr kritische Artikel über den ESG-Bereich in der einflussreichen Zeitschrift The Economist deuten darauf hin, dass die Regulierungsbehörden das Thema zu Recht aufgegriffen haben. Es bleiben nur noch wenige Wochen bis zum Ablauf der Frist für die Umsetzung der zweiten Stufe der SFDR-Verordnung. Bietet dies eine gute Gelegenheit, eine vorläufige Bewertung vorzunehmen?

Definitiv! In den ersten Ergebnisse wird übereinstimmend auf einen Mangel an Klarheit und Verständnis für Investoren hingewiesen, sowie auf die Komplexität bei der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und das noch größere Risiko des Greenwashings.

MANGEL AN KLARHEIT UND VERSTÄNDNIS

Ziel der SFDR-Verordnung ist, für mehr Transparenz bei Finanzprodukten und insbesondere bei deren Umweltzielen zu sorgen (wenig, viel, extrem, gar nicht). Die MiFID -Verordnung verlangt, dass die Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, möglichst angemessen und transparent darauf einzugehen.

Die Frage der zeitlich nicht abgestimmten Planung zwischen den beiden Verordnungen wird hier nicht erörtert, da wir dieses Problem umgehen können. Wichtiger ist, dass wir uns auf die Komplexität der sprachlichen Anforderungen der Verordnungen konzentrieren, die den Fachleuten, die seit mehreren Monaten daran arbeiten, die Haare zu Berge stehen lassen! Stellen Sie sich einmal die Situation eines privaten Anlegers vor, der sich sehr wahrscheinlich nicht mit den einzelnen Indikatoren beschäftigt hat.

Hier einige konkrete Beispiele, die dies veranschaulichen:

  • Die Anleger haben Gelegenheit, ihre Präferenzen auf der Grundlage eines bestimmten Grades von Nachhaltigkeitszielen auszudrücken, wie sie in der SFDR für die in Frage kommenden Produkte definiert sind.Erstes Problem: Die SFDR-Verordnung schreibt keinen Mindestanteil an nachhaltigen Zielen vor. So zeigen erste Untersuchungen bei den Nachhaltigkeitszielen eine Spanne auf, die je nach den Produkten derselben Kategorie zwischen 5 und 80 Prozent liegt. Zweites Problem: Zwar wollte die EU-Kommission den Anwendungsbereich von Artikel 9 und die Mindestnachhaltigkeitsquote klar definieren, d.h. ein Ziel von 100 Prozent nachhaltiger Instrumente mit Ausnahme von Barmitteln und Derivaten. Jedoch hat sich der Markt für ein Minimum von 20 Prozent und ein Maximum von 70 Prozent bei dieser Art von Produkten entschieden.

  • Überdies können die Anleger ihre Präferenzen auch in Form der bekannten PAI (Principal Adverse Impact Indicators, also die wichtigsten Indikatoren zu nachteiligen Auswirkungen) ausdrücken. Bei den PAI handelt es sich um eine umfassende Liste von 14 verbindlichen Umwelt- und Sozialindikatoren, die bei Produkten, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, integriert sein und gemessen werden müssen. Sicherlich sind diese Indikatoren relevant (z. B. Kohlenstoffemissionen, Wassermanagement, gefährliche Abfälle, geschlechtsspezifisches Lohngefälle und Diversität in der Unternehmensleitung). Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass die geforderten Kennzahlen weder messbar noch für alle Sektoren und Interessengruppen verfügbar sind. Überdies ist ihr Wert für die Anleger äußerst fragwürdig, da sie als gewichteter Durchschnitt des Portfolios ausgewiesen werden.

 

Die Komplexität der geforderten Angaben erhöht das Risiko des Vorwurfs des Greenwashings.

Je nach ihrer SFDR-Einstufung müssen Finanzprodukte ein Dokument in einem strengen und präzisen Format vorlegen, das dem Prospekt des Produkts oder der Managementvereinbarung mit dem Kunden beigefügt wird. Zudem muss es von den Aufsichtsbehörden bis zum 1. Januar 2023 genehmigt werden.

Bei sogenannten „Artikel 9“-Produkten muss die linke Spalte des Anhangs angekreuzt werden. Darüber hinaus muss vor Vertragsabschluss die Verpflichtung eingegangen werden, dass eine bestimmte Anzahl von Mindestprozentsätzen für ihre ökologischen und sozialen Ziele eingehalten wird.

Das bedeutet, dass das Produkt Mindestziele gemäß der europäischen Taxonomie, Mindestumweltziele, die nicht mit der europäischen Taxonomie übereinstimmen, sowie soziale Mindestziele erfüllen muss.

Erstens ist auf Ebene der europäischen Taxonomie allgemein bekannt, dass die verfügbaren Daten, die im Prinzip von den Unternehmen selbst gemeldet werden, immer noch die Ausnahme sind, und zwar sowohl hinsichtlich der Regeln als auch der Methoden, die noch nicht ausreichend getestet wurden. Die heutige Ausrichtung eines bestimmten Emittenten auf einen bestimmten Prozentsatz X könnte in sechs oder zwölf Monaten – unter sonst gleichen Bedingungen – aufgrund einer Korrektur der Methodik oder des Ansatzes deutlich anders ausfallen.

In Bezug auf das Finanzprodukt besteht jedoch die Verpflichtung, die im Emissionsprospekt oder in der Managementvereinbarung festgelegten Mindestanforderungen zu erfüllen und jährlich über die Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtung zu berichten.

Zweitens muss es eine Verpflichtung zu einem Mindestmaß an ökologischen und sozialen Zielen geben. Für ein Portfolio aus börsennotierten Aktien oder Unternehmensanleihen – Staatsanleihen lassen wir hier einmal außen vor – bedeutet dies, dass der Bereich der Unternehmenstätigkeit, der einem sozialen Ziel dient, von dem der Umweltziele unterschieden werden kann. Dies impliziert, dass diese Aspekte nicht systematisch miteinander verknüpft sind.

Das Maß an Präzision der vertraglichen Verpflichtungen veranlasst den Markt zu einem hohen Ausmaß an Vorsicht. Denn das Damoklesschwert des Greenwashing-Vorwurfs ist allgegenwärtig. Deshalb ist man bei der Festlegung von Mindestverpflichtungsquoten vorsichtig, um sicher zu sein, dass sie ein Jahr später, wenn die Berichterstattung zu leisten ist, auch erreicht werden. Vorsicht kann aber auch bedeuten, dass die Nachhaltigkeitsziele des Produkts nicht herabgesetzt werden, sondern dass man die scheinbaren Nachhaltigkeitsziele des Produkts reduziert, um einem regulatorischen Rahmen auszuweichen, der das Risiko birgt, in Anbetracht der vorgegebenen Kennzahlen des Greenwashings bezichtigt zu werden.

Die Herabstufung der Produktklassifizierungen hat zu einer kaum noch überschaubaren Masse von Produkten der Kategorie 8 mit verschiedenen Formen der Nachhaltigkeitspflicht geführt. Dies verringert die Transparenz für die Anleger.

Für den Finanzsektor und die Aufsichtsbehörden sind dies schwierige Zeiten, wenn es um nachhaltige Investments geht. In einer Welt, in der Kennzahlen und Quantität oft Vorrang vor Qualität haben, ist es an der Zeit zu zeigen, dass das Engagement echt ist. Trotz der klimapolitischen und sozialen Dringlichkeit müssen wir der Regulierung jedoch Zeit geben, um die richtige Balance zwischen allgemein gültigen Idealen und pragmatischer Realität zu finden.

Siehe auch den Abschnitt Verantwortliche Investments

1Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
2Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Vorgaben für Wertpapierfirmen und die Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie.

WICHTIGE INFORMATIONEN

Dieses Dokument wurde ausschließlich zu Informationszwecken erstellt und stellt weder eine Anlageberatung noch eine Finanzanalyse oder eine andere Form von allgemeinen Empfehlungen für Transaktionen mit Finanzinstrumenten dar. Dieses Dokument enthält zudem Informationen und Stellungnahmen zu ökologischen, sozialen und Governance-Fragen, die sich im Laufe der Zeit ändern können. Dieses Dokument wurde zwar mit der gebotenen Sorgfalt erstellt, es kann jedoch sein, dass die Informationen und Meinungen unter anderem aufgrund von Klarstellungen und/oder Stellungnahmen der europäischen Behörden und/oder der nationalen Regulierungsbehörden unrichtig oder unvollständig werden.

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