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Nachhaltige Small-Caps: Einst eine Herausforderung, heute eine Chance

Von Florent Griffon,
SRI-Spezialist bei DPAM

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Small-Caps wurden von nachhaltigen Anlegern lange Zeit übersehen

Nachhaltige Investoren hatten Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung lange Zeit nicht auf dem Radar. Die ersten Strategien, die nachhaltige und verantwortungsvolle Anlageansätze verfolgten, investierten in Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung, die über ausreichende personelle und organisatorische Ressourcen verfügten, um umfassende ESG-Berichte zur Verfügung zu stellen und über ihre Initiativen zur gesellschaftlichen Verantwortung zu kommunizieren. Nachhaltige Anlageportfolios beruhten vielfach auf sektorneutralen „Best-in-Class“-Filtern, die sich auf ESG-Research stützten, das von externen Anbietern bezogen wurde. Deren ESG-Ratings waren oft sehr stark mit der Dauer der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen korreliert. Diese Ansätze des nachhaltigen Investierens waren ungeeignet für ein Universum von Small-Cap-Anlagen, deren Unternehmen es – ganz anders als bei Large-Caps – in der Regel an den erforderlichen Ressourcen für Nachhaltigkeitsberichterstattung mangelte und bei denen die Abdeckung durch spezielles nicht-finanzbezogenes Research im Hinblick auf Umfang und Qualität begrenzt war. So sorgte die Verbindung von mangelnder Verfügbarkeit von ESG-Daten und ungeeigneten Anlageprozessen dafür, dass nachhaltige Small-Cap-Strategien vernachlässigt wurden. Währenddessen vollzog sich bei nachhaltigem und verantwortungsvollem Investieren in anderen Anlageklassen eine schnellere Entwicklung.

Quelle: Berenberg ESG-Ratings: Das Rätsel der Small- und Midcaps, Mai 2020

Erfreulicherweise verändert sich dieses Bild nun schnell. Der beständige Anstieg der Nachfrage nach ESG-orientierten Anlagen in den vergangenen Jahren spiegelt sich bereits in den höheren Bewertungskennzahlen vieler Large-Caps wider. Vor diesem Hintergrund sehen sich Vermögensverwalter zunehmend veranlasst, nach Diversifizierung in neue Marktnischen zu suchen, die immer noch attraktive Bewertungen oder bedeutendes Wachstumspotenzial aufweisen. Genau das bietet das Small-Cap-Anlageuniversum. Hier findet man viele interessante Unternehmen, die vom ESG-Research noch nicht umfassend abgedeckt sind, aber deutliche Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen. Ihr nachhaltiges Wachstumspotenzial wurde vom Markt mitunter noch nicht vollständig erkannt. Für einen nachhaltigen Anlageverwalter ist es entscheidend, solche Unternehmen durch angemessenes ESG-Research und flexible Titelauswahl unter Berücksichtigung von ESG-Aspekten früh zu entdecken und in sie zu investieren.

Fokus auf die nachhaltige Positionierung der Unternehmen

Eine kluge und flexible ESG-orientierte Titelauswahl erfordert einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Anlageansatz. Die Agenturen für nicht-finanzielle Ratings verbessern zwar allmählich ihre Abdeckung des Small-Cap-Anlageuniversums. Doch aufgrund des allgemeinen Mangels an ESG-Daten und des verbleibenden Hangs zu Unternehmen mit umfangreichen ESG-Veröffentlichungen zu „Good Practices“ sollten die Bewertungen von ESG-Ratingagenturen nicht als gegeben hingenommen werden. Es empfiehlt sich daher, eigene, spezielle ESG-Scoringmodelle aufzubauen, die soweit wie möglich quantitative ESG-Daten nutzen. Anleger sollten zudem den Fokus auf das richten, „was ein Unternehmen tatsächlich tut“, auf sein Geschäftsmodell (d. h. sein Angebot an Produkten und Dienstleistungen) und darauf, in welchem Ausmaß es Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme einbringt. Beispielsweise könnte ein Unternehmen, das Schlüsselkomponenten für energieeffiziente Wärmepumpen und ‚grüne‘ Heizungs- und Lüftungssysteme herstellt, gut aufgestellt sein, um von den zunehmenden EU-weiten Bemühungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen von Gebäuden zu profitieren. Es wäre damit gut positioniert im Hinblick auf das Ziel Nr. 13 (‚Maßnahmen zum Klimaschutz‘) der sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs). In der Regel stellen derartige Unternehmen keine umfassende ESG-Berichterstattung zur Verfügung. Dennoch sind wir überzeugt, dass ein kluger nachhaltiger Anleger einen Dialog mit der Geschäftsleitung solcher Unternehmen führen sollte, um fehlende ESG-Informationen einzuholen und sicherzustellen, dass das Unternehmen verantwortungsvoll geführt wird und keine bedeutenden ESG-Risiken birgt. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kommen solche Unternehmen für eine Anlage in einem nachhaltigen Portfolio in Betracht. Dies wäre mit einem traditionellen „Best-in-Class“-Ansatz, der sich rein auf externe ESG-Ratings stützt, nicht möglich.

Angepasster Anlageprozess = SRI 2.0

Damit ein Anlageprozess also interessante Gelegenheiten für nachhaltige Anlagen im Small-Cap-Anlageuniversum ermitteln kann, und das in einem frühen Stadium, muss sich sein nachhaltiger Ansatz auf spezialisiertes ESG-Research stützen. Letzteres wird oft intern entwickelt und muss einschätzen, wie nachhaltig das Geschäftsmodell des betreffenden Unternehmens ist. Mit anderen Worten: Beim Investieren in nachhaltige Small-Caps sollte zwingend das ‚Impact Exposure‘ ermittelt werden, also eine „Wirkungsanalyse“ des Unternehmen durchgeführt werden. Hierauf beruht der Schwerpunkt von „Sustainable and Responsible Investing (SRI) 2.0“, der moderneren, flexibleren und „wirkungsorientierten“ Art des nachhaltigen Anlegens, das zurzeit in Europa entsteht.

In diesem Zusammenhang sind die insgesamt 17 ‚Ziele für nachhaltige Entwicklung‘ (SDGs) der Vereinten Nationen ein hilfreiches Instrument. Sie sind nicht nur die Zielvorgabe, die die Menschheit erreichen muss, sondern bilden auch langfristige Nachhaltigkeitstrends ab, die zunehmend die Welt von heute gestalten und die Welt von morgen bestimmen werden. Durch das Ermitteln von Unternehmen, die am besten aufgestellt sind, um positive Beiträge zu diesen SDGs zu leisten, können Anleger gezielt in diese Firmen investieren. Auf diese Weise können nachhaltige Anleger ihre beiden vorrangigen Ziele miteinander verbinden, nämlich das Erzielen von Wertentwicklung und die Unterstützung von nachhaltigen Unternehmen und verantwortungsvollen Praktiken.

Die europäische Regulierung als Beschleuniger

Der Trend in Richtung SRI 2.0 und die zunehmende Fokussierung auf die Messung der Auswirkungen von SRI-Portfolios wird von der Regulierung auf Ebene der Europäischen Union (EU) unterstützt. Aufseiten der Unternehmen, in die investiert wird, arbeitet die EU-Kommission daran, die nicht-finanzielle Berichterstattung voranzutreiben (Richtlinie 2014/95/EU, „NFRD“), um die Angabe nicht-finanzieller Informationen zu verbessern. Währenddessen verlangen aufseiten der Investoren die EU-Taxonomie und die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Berichterstattung im Finanzdienstleistungssektor von Anlageverwaltern, dass sie für mehr Transparenz in Bezug auf die Wirkung der von ihnen verwalteten Anlageportfolios sorgen. Da nachhaltige Anlagestrategien immer stärker auf der Grundlage von Wirkungskennzahlen verglichen werden, besteht kaum Zweifel daran, dass diese Bestimmungen den Übergang zu einem stärker wirkungsorientierten Anlageprozess, d.h. zu SRI 2.0, beschleunigen werden.

Vorreiter beim nachhaltigen Investieren profitieren

Zudem macht die EU-Kommission kein Geheimnis aus ihrer Absicht, Kapitalflüsse in Richtung von Unternehmen zu kanalisieren, die Lösungen für zentrale ökologische und soziale Probleme anbieten. Dies ist eines der erklärten allgemeinen Ziele des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen und des EU-Green Deal. Diese starke aufsichtsrechtliche Unterstützung und die künftigen zusätzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und anderer Nachhaltigkeitsprobleme dürfte die Kapitalkosten für nachhaltige Unternehmen allmählich senken und ihre Bewertungen unterstützen. Dies dürfte interessante Prämien bzw. Wertzuwächse für Vorreiter schaffen, also Vermögensverwalter und andere Investoren, die sich besonders früh mit dem Thema Nachhaltigkeit bei Small Caps auseinandergesetzt haben.

Vor dem Hintergrund einer schnell und beständig steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen, die von einem kräftigen aufsichtsrechtlichen Impuls unterstützt wird, und zunehmend hohen Bewertungskennzahlen bei ESG-orientierten Unternehmen bilden nachhaltige Small-Caps eine besonders vielversprechende Anlageklasse.

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