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Wie wirken sich ESG-Kriterien auf die Aktien-Performance aus?

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Von Tom Demaecker,
Fund manager International & Sustainable Equity bei DPAM

Im Interview spricht Tom Demaecker, Fondsmanager International & Sustainable Equity, über den Zusammenhang zwischen ESG-Kriterien und der Performance von Aktien-Investments sowie die Schlussfolgerungen aus der internen Analyse durch das DPAM International & Sustainable Equity Team.

Verbessern ESG-Kriterien die Performance?

Tom Demaecker: Wiederholte Studien verschiedener Indikatoren und über unterschiedliche zeitliche Horizonte zeigen, dass ESG-Faktoren generell eine bessere Wertentwicklung bei Aktien bewirken. Unsere Analysen belegen, dass sie über einen siebenjährigen Zeitraum tendenziell eine klare Outperformance gegenüber Aktien-Investments erzielen, die nicht aktiv auf ESG bauen.

Wie verbessern ESG-Faktoren die Performance?

Vier Faktoren verknüpfen ESG mit überdurchschnittlichen Ergebnissen:

Erstens vermeidet ESG teure Kontroversen. Bei nachhaltigen Unternehmen ist es unwahrscheinlicher, dass sie in massive Kontroversen verwickelt sind. Das wiederum begrenzt unerwartete Verluste durch öffentliche Empörung oder unerwartete Gerichtsverfahren. So haben in den letzten sechs Jahren die 24 größten Streitfälle im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit Schäden in Höhe von über 500 Mrd. Dollar verursacht.

Zweitens konzentriert sich ESG auf wirklich wichtige Aspekte: Die Welt entwickelt sich von einer industriellen zu einer wissensbasierten Wirtschaft, die mit weniger Vermögenswerten auskommt. Dabei rücken ‚Forschung & Entwicklung‘ sowie geistiges Eigentum immer stärker in den Fokus. ESG steht im Einklang mit diesem Trend, denn es konzentriert sich stark auf diese immateriellen Vermögenswerte (z. B. Patente, Markenbewusstsein, Humankapital, Reputation etc.), die inzwischen im Wertschöpfungsprozess eines Unternehmens eine wichtige Rolle spielen.

Drittens kommt es darauf an, im richtigen Revier zu suchen. Unsere Studien belegen, dass Unternehmen, die bei den ESG-Faktoren gut abschneiden, auch insgesamt profitabler sind. Dementsprechend kann ESG ein Indikator für die Rentabilität und das Wachstum eines Unternehmens sein, und entsprechend höher ist die Wahrscheinlichkeit, ein gutes Unternehmen auszuwählen.

Der vierte Grund ist mit dem zuletzt genannten Faktor verknüpft: Anleger, die im richtigen Revier nach Aktien suchen, vermeiden automatisch falsche Reviere. ‚Bedenkliche‘ Unternehmen, d. h. solche, die sich auf Branchen wie Tabak, Waffen, Glücksspiel und Alkohol konzentrieren, sind bei ESG-fokussierten Fonds generell ausgeschlossen. Gute ESG-Aktienfonds weisen, anders als bedenkliche Unternehmen und die Schlusslichter in Sachen ESG, tendenziell deutlich geringere Gewinnschwankungen auf. Die Kluft zwischen den Klassenbesten und dem Mittelfeld ist geringer. Das sorgt für mehr Gewinntransparenz und stärkt die Resilienz.

Gibt es bei ESG auch Tücken?

Angesichts der Beiträge zu einer nachhaltigen Zukunft, kombiniert mit einer positiven Outperformance scheinen ESG-Investments die Wahl ‚par excellence‘ zu sein. Dennoch ist Vorsicht geboten. Nachhaltige Investments bieten bei vernünftigem Einsatz zwar verschiedene Vorteile, gleichzeitig sind einige Aspekte zu berücksichtigen. Zunächst einmal ist nicht vollständig klar, in welchem Umfang die einzelnen Bestandteile eines ESG-Score zur Outperformance beisteuern. In mehreren Studien konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren (‚E‘ für Environment) und Outperformance nachgewiesen werden. Der E-Faktor ist messbar, im zeitlichen Verlauf vergleichbar und liefert somit ein klares Bild. Die Faktoren Governance (G) und Social (S) lassen sich dagegen aufgrund des qualitativen Charakters der Bewertung besonders schwer in einer Note zusammenfassen. Somit muss die eindeutige Performance-Auswirkung in Studien erst noch belegt werden.

Vor allem aber sind die Relevanz und Bedeutung dieser drei qualitativen Faktoren sehr unternehmens- und branchenspezifisch. Das erschwert die Durchführung einer ordentlichen quantitativen Analyse und erfordert eine integrierte Analyse durch Branchen- und Unternehmensspezialisten.

Geht es bei ESG lediglich um die Vermeidung von Risiken?

ESG entwickelt sich zu einem strukturellen Faktor mit weitreichenden Konsequenzen für alle Unternehmen und Branchen, auch für solche, die seine Relevanz vielleicht noch unterschätzen. Die wachsende Bedeutung von ESG lässt sich an der jüngsten Zunahme von Gesetzesinitiativen und dem spürbar steigenden gesellschaftlichen Druck ablesen. Dennoch sollte das Augenmerk nicht nur auf die restriktive Seite von ESG gelenkt werden. Die ESG-Herausforderungen eröffnen auch erstaunliche Geschäftsmöglichkeiten. Seit einigen Jahren sind viele erfolgreiche Unternehmen auf dem Vormarsch, die sich speziell der ESG-Probleme annehmen. So konzentriert sich zum Beispiel das Unternehmen ‚Pluralsight‘ auf den sozialen Aspekt von ESG und entspricht mit einer Bildungsplattform dem dringenden Bedarf, sehr gute Lehrkräfte zu vernünftigen Preisen anzubieten. Dies ist besonders im IT-Bereich stark gefragt. Das Unternehmen zielt darauf ab, bedeutende und dauerhafte gesellschaftliche Auswirkungen zu erzielen, indem es gleichberechtigten Zugang zu qualitativer IT-Ausbildung bietet und fördert.

Worin besteht in diesem Zusammenhang die Rolle großer ESG-Datenanbieter?

Einige große Datenanbieter versuchen, die relative ESG-Note eines Unternehmens in einem einzigen Wert abzubilden. Das kann zwar ein gutes Fundament für den Aufbau eines ESG-Portfolios sein. Dennoch sind diese Ratings mit Vorsicht zu genießen. ESG-Datenanbieter legen im Allgemeinen großen Wert auf Offenlegung. Sie bevorzugen Unternehmen mit umfassenden Berichten über unternehmerische und soziale Nachhaltigkeit und großen ESG-Teams, um ausgefeilte Richtlinien zu verfassen. Wir haben jedoch festgestellt, dass diese definierten Kennzahlen nur marginal zur Performance beisteuern. Um herauszufinden, was den Zustand eines Unternehmens tatsächlich beeinflusst, müssen wir uns Performanceziele ansehen, die zentrale wesentliche Risiken adressieren. Diese wesentlichen Risiken spiegeln sich in den Standardkennzahlen großer ESG-Datenanbieter wie Sustainalytics oder MSCI leider nur unzureichend wider. An dieser Stelle wird die Kompetenz von DPAM deutlich sichtbar: Unser erfahrenes Team mit internen Buy-Side-Analysten führt eigene fundierte Analysen durch. Durch diesen Bottom-up-Ansatz erhalten wir einen klaren Überblick über die Fundamentaldaten eines Unternehmens und seine Branche insgesamt. Dadurch haben wir wiederum einen einzigartigen Vorsprung bei der Identifizierung und beim Verständnis des jeweiligen ESG-Profils.

Daneben halten wir die relativen Verbesserungen der ESG-Note eines Unternehmens für eine wichtige Kennzahl. Ein neuer Akteur, der plötzlich deutliche Fortschritte macht, ist möglicherweise ein zuverlässigerer Indikator für ein solides ESG-Engagement als ein etabliertes Unternehmen mit einem hohen, aber im wesentlichen unveränderten ESG-Rating. Wir haben festgestellt, dass eine deutliche ESG-Verbesserung auch stark mit Outperformance korreliert, was die Bedeutung dieser Kennzahl bestätigt.

DPAM versucht schließlich auch, über reine Bilanzkennzahlen hinauszusehen und sich ein umfassendes Bild des jeweiligen Unternehmens zu verschaffen. Dazu sehen wir uns die Ergebnisse von Mitarbeitergesprächen in Zufriedenheitsumfragen und Online-Datenbanken an. Außerdem stehen unsere Experten in regelmäßigem Kontakt mit den Firmen, um eine persönliche Beziehung aufzubauen und die langfristigen Pläne und Ziele eines Unternehmens besser zu verstehen.

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