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Das Rätsel der Renditejagd

Von Laurent Van Tuyckom,
Fondsmanager Dividendenstrategien bei DPAM

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„Warum der historisch attraktive Renditeabstand von Anlegern übersehen wird und warum es Zeit ist, den Anteil von Aktien mit hohen Dividenden in Portfolios anzupassen – zumindest teilweise“

Während viele festverzinsliche Produkte eine negative Rendite liefern (siehe Grafik 1) und hohe Geldbeträge auf dem Abstellgleis darauf warten, investiert zu werden, ist es sehr erstaunlich, dass der Renditeabstand, d. h. der Unterschied zwischen den vom Markt erwarteten Dividendenrenditen und den Anleihenrenditen, dicht an seinem historischen Höchstwert verharrt. So dürften einige europäische Dividendenfonds für 2019 eine attraktive Dividendenrendite von durchschnittlich 6% erzielen, während ein großer Teil des Rentenmarktes überhaupt keine Rendite mehr abwirft.

Grafik 1

Chart 8: Global stock of negative-yielding debt

Quelle: BofAML Global Investment Strategy, Bloomberg

Nachfolgend werden wir einige Faktoren betrachten, die zu den derzeit attraktiven Bewertungen von Aktienfonds mit hohen Dividenden führen. In einem zweiten Schritt wollen wir Argumente dafür liefern, dass – zumindest für Anleger, die in ‚Wachstumsaktien‘ massiv übergewichtet sind – eine Neugewichtung zugunsten eines High Dividend /Value-Stils äußerst sinnvoll ist.

Zunächst einmal wird derzeit viel über vermeintlich teure Aktienmärkte gesprochen; die Bewertungskennzahlen des europäischen Marktes liegen aktuell in der Tat über dem langjährigen Durchschnitt. Doch bleibt bei dieser Darstellung eine nuancierte Betrachtung tendenziell auf der Strecke. Denn seit der Finanzkrise von 2008 hat sich ein massiver polarisierender Trend zwischen den Anlagestilen ‚Growth‘ und ‚Value‘ ausgebildet.

Technisch betrachtet steigen die Multiplikatoren für Wachstumsaktien, wenn die Kapitalkosten sinken bzw. der „Bond-Proxy“-Teil des Aktienmarktes negativ mit risikolosen Zinssätzen korreliert. Ausgereiftere Value-Unternehmen, die Kapital in Form von Dividenden an ihre Aktionäre auszahlen anstatt in Wachstum zu investieren, profitieren allerdings nicht vom Trend der „Growth-Neubewertung“. Zudem ist dieses Segment tendenziell in höherem Maße dem Phänomen der technischen Disruption ausgesetzt, Einkaufszentren leiden beispielsweise unter dem rückläufigen Einzelhandelsabsatz infolge des boomenden E-Commerce.

Darüber hinaus hat das Value-Universum an Dividendenaktien zurzeit einen Hang zu Zyklikern und ist daher oft positiv mit Inflation und/oder Zinssätzen korreliert, wobei Finanzwerte das augenfälligste Beispiel sind.

Angesichts der makroökonomischen Entwicklungen der vergangenen Jahre (schwaches Weltwirtschaftswachstum, geringe Inflation und immer wieder nach unten angepasste Zinsen) überrascht es nicht, dass ein starker Bewertungsanstieg des „Growth“-Stils gegenüber dem „Value“-Stil zu beobachten ist (siehe Grafik 2). Dies hat zu einem Universum von Aktien mit hohen Dividenden geführt, das auf eine geringere Anzahl von Sektoren/Themen konzentriert ist als üblicherweise, da der Bewertungsanstieg des defensiven Wachstumssegments zu einer weniger attraktiven erwarteten Dividendenrendite in diesem Segment geführt hat.

Grafik 2

Relative Bewertung

Quelle: DPAM

Insgesamt hat das Umfeld extrem niedriger Zinsen dazu geführt, dass die Bewertung von Aktien mit hohen Dividenden als historisch sehr niedrig erscheint, nicht nur gegenüber Anleihen, sondern auch gegenüber „Growth“-Aktien. Zieht man stellvertretend für Aktien mit hohen Dividendenausschüttungen das Marktsegment von Unternehmen mit einem hohen Verhältnis von freiem Cashflow zu Unternehmenswert (FCF/EV-Ratio) heran, stellt man fest, dass der Abschlag gegenüber dem Markt, mit dem Aktien mit hohem FCF/EV-Ratio gehandelt werden, seit dem Platzen der Technologieblase noch nie so hoch war wie heute (siehe Grafik 3).

Grafik 3

Quelle: Exane BNP Paribas. For valuations we have compared the Relative PE multiple of the Top bs Bottom Quartile of stocks. FCF factor has been on an ex-financials universe.

Noch interessanter ist, dass dies zu einer Zeit der Fall ist, zu der die relative Gewinndynamik von Value im Vergleich zu Growth einen solch erheblichen relativen Bewertungs- bzw. Performance-Abstand gar nicht unterstützt (siehe Grafik 4). Das bedeutet mit anderen Worten, dass sich der größte Teil der Underperformance von Aktien mit hohen Dividenden im Vergleich zum übrigen Markt nicht mit einer enttäuschenderen Gewinnentwicklung erklären lässt. Fairerweise muss man natürlich sagen, dass das Gewinnprofil (und die langfristige Nachhaltigkeit der Dividenden) vieler Value-Positionen mit hohen Dividenden unter Druck geriete, wenn die Zinssätze noch für mehrere Jahre niedrig bleiben. Doch bislang ist der Trend robust und man könnte sagen, dass die niedrigen Bewertungen noch einen gewissen Rückgang von Gewinnen/Dividenden verkraften könnten.

Grafik 4

Value vs Growth N12M EPS Index

Quelle: MSCI, IBES, Morgan Stanley Research

Weltweit lassen Hinweise von politischen Entscheidungsträgern erkennen, zukünftig neben der Geldpolitik zusätzlich auf eine expansivere Fiskalpolitik zu setzen, um das globale Wachstum effizient anzukurbeln. So machte der scheidende EZB-Präsident Draghi kürzlich Andeutungen im Hinblick auf die geringe Effizienz geldpolitischer Maßnahmen wie der quantitativen Lockerung. Manch einer geht sogar noch weiter und diskutiert die Nebenwirkungen oder sogar kontraproduktiven Effekte geldpolitischer Maßnahmen. Der springende Punkt ist, dass sich die Inflationserwartungen angesichts der zunehmend anerkannten Notwendigkeit einer fiskalischen Lockerung in Richtung stabiler oder sogar steigender Preise bewegen könnten. Dies wiederum könnte eine markante Umschichtung auf dem Markt von „Growth“-Titeln in Value-Aktien mit hohen Dividenden bewirken. Theoretisch kann diese Umschichtung vor dem Hintergrund der aktuellen Positionierung der Anleger massiv ausfallen, da viele ihr Geld lieber in „Bond Proxies“ und „Growth“-Aktien geparkt haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die langfristigen Argumente, die für Aktien mit hohen Dividenden sprechen, unverändert Gültigkeit haben. Dividenden machen nach wie vor den größten Teil der langfristigen Aktienrenditen aus und bieten einen wichtigen Puffer in Korrekturphasen. Die vergangenen zehn Jahre für den Value-Stil (auch bei Dividendenaktien) allerdings nicht besonders günstig. Angesichts der aktuell extremen Growth-Positionierung vieler Anleger und attraktiver relativer Bewertungen sowie der unterstützenden relativen Gewinndynamik und einer Politik, die möglicherweise in Richtung fiskalischer Impulse tendiert, erscheint eine Neugewichtung von Portfolios zugunsten von Aktien mit hohen Dividenden zurzeit durchaus sehr sinnvoll.

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