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CIO’S VIEW

Der US-Bond-Bär schläft weiter

Von Peter De Coensel,
CIO Fixed Income bei DPAM

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STATUS QUO

    • Die erste Woche des Jahres 2021 hat die Gemüter der Anleiheninvestoren aufgewühlt. Die Einigung im US-Kongress zum Jahresende auf ein 900 Mrd. USD schweres Fiskalprogramm in Kombination mit den Ergebnissen der Stichwahl in Georgia haben die langfristigen US-Renditen im Vergleich zu den stabilen Bedingungen, die im zweiten Halbjahr 2020 herrschten, aggressiv angehoben. Ein vereinigter demokratischer statt eines geteilten Kongresses ruft geradezu nach einer erfolgreichen Umsetzung des Regierungsprogramms. Expansive Staatsausgaben werden die Nachfrage angesichts eines anhaltenden Anstiegs der verfügbaren Einkommen ankurbeln. Die demokratische Führung, die darauf abzielt, die Polarisierung unter den US-Bürgern zu verringern, könnte sich für wiederkehrende Handreichungen anstelle einer nur einmaligen, vorübergehenden pandemiebedingten finanziellen Unterstützung entscheiden. Im Sommer, wenn sich die Impfprogramme dem Niveau der Herdenimmunität annähern, könnte sich die Intensität des Konsums beschleunigen. Ersparnisse werden aufgebraucht werden, um die zurückeroberte Freiheit zu feiern. Die US-Inflation könnte in Kombination mit positiven Basiseffekten aufgrund der deflationären Bedingungen von 2020 im Laufe des Jahres 2021 einen Wert von 2,5 %+ erreichen. Eine Panik an den US-Anleihemärkten kann nach Ansicht einiger Marktbeobachter dazu führen, dass die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen 2,00 % erreichen. So plausibel sich die Abfolge der obigen Ereignisse auch lesen mag, ich stelle dieses Szenario in Frage. Die Gegenargumente beziehen sich auf den Regimewechsel, den wir letztes Jahr oft diskutiert haben. Eine erneute Betrachtung ist angebracht.

    • Dieser Regimewechsel findet auf der Ebene der monetär-fiskalischen Kooperation und Zusammenarbeit statt. In den vergangenen 50 Jahren agierte die Geldpolitik im Wesentlichen antizyklisch. Die Unabhängigkeit der Zentralbank wurde nie in Frage gestellt. Die Fiskalpolitik war demgegenüber meistens prozyklisch. Die Pandemie ist der Katalysator, der diesen Rahmen verändert. Jenseits von Covid-19 sind die Herausforderungen, die Lösungen benötigen, struktureller Natur. Ein Modell der Kooperation ist eine notwendige Bedingung, um folgende strukturelle Herausforderungen anzugehen und die Erfolgswahrscheinlichkeiten zu erhöhen.

    • Anhaltende fiskalpolitische Initiativen, mit bedingungsloser Unterstützung der Geldpolitik, sind erforderlich, um…

    • …den Übergang der Weltwirtschaft zu einem nachhaltigen Ökosystem zu ermöglichen. Im Jahr 2018 forderte der Weltklimarat der Vereinten Nationen eine Senkung der jährlichen globalen Emissionen um 50 % bis 2030 und das Erreichen von „Netto- Null- Kohlenstoffemissionen“ bis 2050. Die Belastung für die OECD-Länder wäre sogar noch höher, da die „Netto-Null“ bis 2040 erreicht werden soll.

    • …Wachstumsziele als Motor des Wohlstands neu zu formulieren, denn die Jagd nach maximalem Wachstum kollidiert mit der endlichen Kapazität der Ressourcen der Erde. Die ungezügelte Globalisierung hat bereits in den letzten 3 bis 4 Jahren auf die Bremse getreten. Die Ursache dafür liegt in der vom scheidenden US-Präsidenten eingeleiteten Kehrtwende, die das Modell der multilateralen Zusammenarbeit in Klima-, Wirtschafts- und Militärbündnissen zerstört hat. Wenn die Weltwirtschaft einen gemeinsamen und nachhaltigen Fortschritt erreichen soll, müssen die Investitions- und Konsummuster von Unternehmen und Haushalten neu gestaltet werden.

    • …die Ungleichheit der Entlohnung von Arbeit und Kapital zu verringern. Um den Kapitalismus zu retten, sollte die Arbeitsvergütung entsprechend der Leistung steigen und nicht aufgrund von Privilegien. Das Pflegepersonal im Gesundheitssektor und die medizinischen Fachkräfte, die die Pandemie bekämpfen, sind echte Helden, die im Durchschnitt eine weitaus bessere finanzielle Entlohnung verdienen. Der Bildungssektor kommt erst an zweiter Stelle.

    • Solange die Finanzmärkte nachteiligen Auf- und Abschwärts-Zyklen unterliegen, wird die Lösung dieser strukturellen Probleme komplex. Selbst wenn wir gelernt haben, wie wir einen solchen Zyklus überleben können, sind die schädlichen Auswirkungen offensichtlich. Meistens wird die Kapitalallokation auf ein Niveau verzerrt, das mehr monetäre und fiskalische Interventionen erfordert, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Beseitigung von Ungleichgewichten, die von den Finanzmärkten ausgehen, ist Energieverschwendung. Eine Krise bei US-Treasuries kann vermieden werden. Eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Powell und Yellen sollte dieses Ziel besiegeln. Derzeit hält die FED 30% aller ausstehenden US-Treasuries in ihrer Bilanz. Die FED-Bilanz ist fest verankert. Man kann erwarten, dass die quantitativen Programme der FED in den nächsten Jahren in Umfang und Dauer überraschen werden, um die Entfaltung fiskalischer Initiativen -einschließlich eines realistischen Green New Deal – zu ermöglichen. Die FED wird den Anstieg der Kapitalbeschaffungskosten für das US-Finanzministerium begrenzen. Überraschungen bei der Inflation wird die US-Anleihemärkte nicht verschrecken, sondern die US-Realzinsen allenfalls tiefer in den negativen Bereich drücken. Die Inflationserwartungen sind bereits erheblich gestiegen, mit 3-Jahres-Breakeven-Sätzen nahe 2,4 %! Vieles ist bereits eingepreist. 10-jährige US-Treasury-Renditen schlossen vergangene Woche bei 1,11%. Der 10-jährige 1- Jahres-Forward liegt bei 1,34%. Wir fühlen uns also wohl, wenn wir heute in 10-jährige US-Staatspapiere investieren – solange, wie die 10-jährige US-Rendite bis Anfang 2022 unter 1,34% notiert.

BEWERTUNGEN

    • Mit einem destabilisierenden Schluckauf bei den Renditen für US-Staatsanleihen begann das Jahr 2021. In der ersten Woche stiegen die 10-jährigen US-Renditen um 20 Basispunkte von 0,91 % auf 1,11 %. Die US-Treasury-Kurve wurde aggressiv steiler, und die 30-jährigen Renditen stiegen um 23 Basispunkte und schlossen bei 1,875 %. Die 2-jährigen US-Renditen bewegten sich kaum und stiegen um nur 1 Basispunkt auf 0,13 %. Vergleicht man die Entwicklung der realen US-Renditen, so ergibt sich ein fast entgegengesetztes Ergebnis. Die 2-jährigen realen TIPS-Sätze fielen um satte 21 Basispunkte und schlossen bei -1,98 %. Die 10-jährigen realen Renditen stiegen um etwa 10 Basispunkte (die Hälfte der Steigerung von den 10-jährigen Nominalrenditen) und schlossen bei -0,97 %. Die 30-jährigen Realsätze stiegen um 15 Basispunkte und schlossen am vergangenen Freitag bei -22 Basispunkten. In der vergangenen Woche war eine sehr seltene Marktbewegung zu beobachten, nämlich eine Umkehrung der Kurve der Inflations-Break-Even-Sätze. Der US-Anleihenmarkt hat sich auf einen höheren Inflationsdruck in den nächsten 2 bis 3 Jahren eingestellt und ist darauf vorbereitet. Unser wichtigster Wertindikator für US-Anleihen ist der 5-Jahres-Forward für 10-jährige US-Treasuries. Dieser Indikator notierte vor dem Wochenende bei 2,04 %. Da die FED-Leitzinsen in den nächsten 3 Jahren an der unteren Nullgrenze liegen werden, sehen wir Potenzial in 10-jährigen US-Staatsanleihen. Diskussionen um ein QE-Tapering sind nicht mehr als ein Rauschen.

    • Der Markt für deutsche Bundesanleihen widerstand dem Ausverkauf bei US-Treasuries und schloss bei 10-jähriger Laufzeit mit einem Plus von 5 Basispunkten bei -0,52%. Die EZB-Bilanz ist sogar noch stärker verankert als die der FED. Italienische, spanische und portugiesische 10-Jahres-Renditen ließen sich von dem Druck nicht beeindrucken und schlossen am Freitag unverändert oder niedriger. Der italienische 10-Jahres-Satz bereitet sich darauf vor, die Spanne von 100 Basispunkten zu 10-jährigen Bundesanleihen zu testen – er schloss bei 104 Basispunkten. 10-jährige italienische Staatsanleihen fielen in Richtung +0,52%. Die portugiesische Finanzagentur informierte die Marktteilnehmer, dass der Kreditbedarf für 2021 weit unter den Markterwartungen liegen würde. Die 10-jährigen Papiere beendeten die Woche 4 Basispunkte niedriger bei -0,02% und entfernten sich von 10-jährigen spanischen Titeln, die bei +0,04% schlossen. Der starke Trend zur Konvergenz der EWWU-Renditen reißt nicht ab. Der Start des ‚EU-Förderprogramms der nächsten Generation‘ im laufenden Jahr könnte ein Katalysator sein, der diesen Trend verstärkt. Auch die europäischen Inflationserwartungen erhielten einen soliden Auftrieb. Die europäischen Impfprogramme müssen schnell an Fahrt gewinnen, um Enttäuschungen zu begrenzen. Die europäische Integration (jetzt ex-UK) wurde im Laufe des Jahres 2020 intensiver. Ein erfolgreicher EU-Impfprozess sollte oberste Priorität für die Europäische Kommission und die europäische Führung haben.

    • Die europäischen Märkte für Investment-Grade- (IG) und High-Yield- (HY)-Unternehmensanleihen legten einen robusten Start im Vergleich zu EUR-Staatsanleihen hin. Im Jahr 2020 schlugen EUR-Staatsanleihen die europäischen Unternehmensanleihenmärkte mit einem Ertrag von +5,15 % gegenüber +2,73 % für die IG- und HY-Sektoren um Längen. Bei Unternehmensanleihen wird der Carry die schwierige Aufgabe haben, den Großteil der Erträge zu liefern. Eine weitere Verengung der Spreads in den europäischen IG- und HY-Sektoren erfordert unverminderte EZB-Käufe bei IG und ein starkes Interesse institutioneller Anleger im HY-Segment.

    • Schwellenländer werden weiterhin von einem starken geld- und fiskalpolitischen Stimulus profitieren. Sie werden die allmähliche Erholung von der Pandemie anführen. Die Finanzierungskapazität und die fiskalischen Puffer werden die entscheidenden Faktoren für die Länderauswahl sein.

    • Die Schuldenstände der Schwellenländer wurden durch eine Kombination aus negativem Wachstum und der Notwendigkeit höherer Ausgaben beeinflusst. Die Verschuldung im Verhältnis zum BIP ist zwar gestiegen, liegt aber immer noch deutlich unter dem Niveau der Industrieländer. Sinkende Risikoprämien, das Niedrigzinsumfeld und ein schwächerer USD werden die Kosten für den Schuldendienst für viele Emerging Markets senken. Ungeachtet der potenziellen Probleme mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen und deren schwieriger Verteilung in einigen Ländern wird erwartet, dass das Wachstum während des Aufschwungs das der Industrieländer übertreffen wird. Trotz negativer Währungseinflüsse trugen im vergangenen Jahr strukturelle Verbesserungen der Glaubwürdigkeit der Zentralbanken in Verbindung mit einer Verlagerung hin zur Haushaltskonsolidierung zu einer besseren Konvergenz der langfristigen Inflationserwartungen mit dem Zielwert bei.

    • ‚Low for Longer‘ macht Schwellenländer-Staatsanleihen zu einer attraktiven Lösung. Ein gut diversifiziertes Portfolio, das in Lokalwährungsanleihen mit einem durchschnittlichen IG-Rating investiert ist, rentiert heute um 5 % und damit deutlich höher als Anlagen in US- oder EUR-Staatsanleihen sowie IG- und HY-Unternehmensanleihen. Aus historischer Sicht sind die absoluten Renditen und Spreads nahe dem Tiefpunkt. Die realen Renditen und Spreads in lokalen Währungen sind jedoch immer noch auf einem sehr attraktiven Niveau. Betrachtet man nicht die Spreads, sondern das Verhältnis von Lokalwährungsrenditen zu US-Treasury-Renditen, so liegen wir immer noch rund 50 Basispunkte über dem Höchststand, der während der globalen Finanzkrise verzeichnet wurde! Wir erwarten, dass diese Risikoprämie weiter sinken wird.

    • Es ist eine Tatsache, dass ein schwacher USD gut ist für Schwellenländerwährungen. In der Tat gibt es eine zwingende Beziehung zwischen dem USD und den Währungen der Emerging Markets. Wir glauben, dass der Großteil der Lockerungsmaßnahmen hinter uns liegt, dass das Wachstum allmählich anzieht und dass die Volatilität der Währungen zu ihrem längerfristigen Durchschnitt zurückkehren wird. Deshalb glauben wir, dass sich Schwellenländerwährungen gut entwickeln werden. Wir teilen nicht das Szenario einer extremen USD-Schwäche, da der Dollar weiterhin als sicherer Hafen und Reservewährung gilt.

    • Länder mit hohen Primärdefiziten, schwachen fiskalischen Puffern, hohen Schuldenständen oder hohen Schuldendienstkosten werden anfällig sein. Einige Länder haben schwache lokale Märkte und sind auf externe Finanzierung angewiesen, während der Refinanzierungsbedarf rekordverdächtig hoch ist. Deshalb ist die Länderauswahl wichtiger als je zuvor!

    • Das Szenario der „Blauen Welle“ in den USA hat sich schließlich bewahrheitet und einen Anstieg der US-Treasury-Renditen ausgelöst. Der JP Morgan Emerging Markets Currency Index rutschte wieder unter 58 auf 57,77 (-0,26% während der vergangenen Woche). Die schlechtesten Performer auf EUR-Basis waren der südafrikanische Rand (-4,20%) aufgrund von Bedenken über einen neuen Lockdown und einen negativen Saisonaleffekt sowie der brasilianische Real (-3,20%) aufgrund des Haushaltsdefizits, nachdem Präsident Bolsonaro sagte, es sei nicht seine Schuld, dass das Land pleite sei. Der polnische Zloty entwickelte sich mit am besten (+1,13%), trotz der Kommentare von Mitgliedern des geldpolitischen Rates, die eine schwächere Währung und mögliche Zinssenkungen signalisierten.

FAZIT

Das neue fiskalisch-monetäre Kooperationsmodell wird die ‚Boom-Bust‘-Intensität in den Finanzmarktsektoren reduzieren. Die Lösung struktureller Probleme, des Klimawandels und der Einkommensungleichheit wird zu einer Top-Priorität für die politischen Führungen, um Demokratie und Wohlstand zu schützen. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Stabilität der staatlichen Finanzierungsbedingungen. Steigende Inflationserwartungen werden hauptsächlich durch niedrige oder niedrigere Realrenditen umgesetzt.

Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen könnten sich um 1,00 % verankern, so wie 10-jährige deutsche Bundesanleihen um -0,50 % zu überwintern scheinen. In den letzten 5 Jahren lagen die 10-jährigen japanischen Renditen im Durchschnitt bei 0,00%! Mission erfüllt für die Bank of Japan. Die EZB und die US-FED verfolgen keine explizite Politik zur Steuerung der Renditekurve, die durch die aktuelle ‚Forward Guidance‘ und die Flexibilität quantitativer Maßnahmen dennoch implizit vermittelt wird.

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