CIO’S VIEW

Die Gründe für eine Diversifizierung in den globalen Anleihesegmenten halten sich hartnäckig

wit-pijl

Einschätzung von Peter De Coensel, CIO Fixed Income DPAM

Eine Google-Suche für den Begriff ‚Deglobalisierung‘ ergibt folgende Definition: „Prozess der abnehmenden Interdependenz und Integration zwischen bestimmten Einheiten rund um den Globus, in aller Regel Nationalstaaten“. Er wird gemeinhin für die Beschreibung von Phasen verwendet, in denen die Handels- und die Investitionstätigkeit zwischen Ländern rückläufig ist. Doch betrachten wir zuerst den aktuellen Stand der Dinge.

Die Entscheidung der US-Notenbank vom Januar, in ihrem Zinszyklus eine längere Pause einzulegen, drückte im ersten Quartal 2019 die aktuelle und erwartete Volatilität an den Zins- und Kreditmärkten. Wir sehen nur wenige Katalysatoren, die diesen Zustand stören könnten. In den kommenden sechs Monaten werden die Beratungen über zinsfreie Bankkredite und die Möglichkeit einer Staffelung von Einlagesätzen auf der Tagesordnung der EZB stehen, um das anfällige EU-Bankensystem zu stützen. Sie wird das niedrige Wachstum herunterspielen und auf den besseren Ausblick für das globale Wachstum in China und den USA verweisen.

Die marktbasierten EU-Inflationserwartungen haben sich derweil aus ihrer Verankerung gelöst. Dies führt uns zu der unbequemen Wahrheit, dass die EZB ihr vorgegebenes Inflationsziel im nächsten Jahrzehnt nicht erreichen wird. Die EZB hat viele Schlachten an der Inflationsfront verloren, muss jedoch weiterkämpfen und das Ziel einer Inflation von 2 % weiterhin versprechen. Einerseits werden sich moderate Aufwärtsüberraschungen bei der Inflation lediglich in konsolidierten Zinssätzen und Kreditspreads auf den aktuellen Niveaus niederschlagen. Die Terminpreise bei den Zinssätzen deuten auf eine schwache Aufwärtsnormalisierung der langfristigen Zinssätze hin. Andererseits könnten Abwärtsüberraschungen der positiven Dynamik bei Anleihen, die die weltweiten Anleihenmärkte Anfang des vierten Quartals 2018 beflügelte, noch mehr Schub verleihen.

Wie also würden sich die weltweiten Anleihenmärkte unter Bedingungen entwickeln und verhalten, bei denen die Deglobalisierung am Rande um sich greift? Die kurze Antwort lautet: Stabil, mit interessanten Festzinsanlagen in allen Bereichen.

Keine Panik, wir werden nicht auf die Handelsniveaus von vor 20 Jahren zurückgeschleudert. Die Gründung der Europäischen Währungsunion und der Eintritt Chinas in die WTO 2001 hievten die Globalisierung auf eine höhere Stufe. Daten des IWF und der Weltbank belegen jedoch, dass der Welthandel (Importe/Exporte) in Prozent des BIP von 2010 an ins Stocken geriet. Dieser Bruch ging mit einem niedrigen Produktivitätswachstum von 0,00 % bis 1,00 % einher. Die gerade stattfindende technologische Revolution sorgt noch nicht auf breiter Front für einen Produktivitätsschub. Eine Verbesserung erfordert Zusammenarbeit und Vertrauen unter den Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft: China, den USA und der EU. Gerade dort tauchen aber viele Fragezeichen auf.

Politiker, bei deren Strategien die Themen Nationalstaat und Identität eine zentrale Rolle einnehmen, gewinnen immer häufiger Wahlen. Die zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit zerstört die Anziehungskraft der etablierten politischen Parteien. Die Wahlergebnisse der vergangenen drei Jahre bestätigen rund um den Globus das Potenzial jener politischer Strategien, die moralische Grenzen suchen und austesten. Der „America First“-Ansatz breitet sich weltweit aus. Dies verschiebt das Risikogleichgewicht eindeutig in Richtung einer rückläufigen Handels- und Investitionstätigkeit. Eine längerfristige Abwärtsanpassung des globalen Wachstumspotenzials ist an den Finanzmärkten jedoch nicht flächendeckend eingepreist.

Es lässt sich sagen, dass das Paradigma der ‚säkularen Stagnation‘ an Dynamik gewinnt. Festzinsanleger sollten deshalb auf der Hut sein. Die säkulare Stagnation ist durch niedrige Zinssätze bzw. negative Realzinsen infolge ungünstiger Bevölkerungsentwicklung, äußerst expansiver Geldpolitik, übermäßiger Ersparnisbildung in zögerlichen, unsicheren Investitionszyklen und unzureichender Binnennachfrage gekennzeichnet. Die Wendung dieses Zustands hin zu einem säkularen Wachstum wird eine Generation dauern.

Neben dem Handel beobachten wir eine abnehmende Interdependenz an den Finanzplätzen. Kann die Deglobalisierung somit auch die Kapitalströme treffen? Darauf deutet tatsächlich immer mehr hin. Bei der inländischen Anlegerbasis in den USA kam es zu einem erheblichen Anstieg der Positionen in US-Staatsanleihen, die Interbankenmärkte in der EU sind weiterhin dysfunktional, der Anteil italienischer Staatsanleihen in ausländischem Besitz fällt weiter und einige Schwellenländer verringern ihre Abhängigkeit vom US-Dollar.

Wir sollten auf einen anhaltenden Rückgang der erwarteten Renditen in allen Anleihensektoren von Staats- über Investment-Grade- bis hin zu Hochzinsanleihen gefasst sein. Die positive Dynamik bei Anleihen kehrte vor rund sechs Monaten an die Märkte zurück und hat noch viel Spielraum.

Die Deglobalisierung könnte zu einer Fortsetzung des Aufwertungstrends beim US-Dollar führen. Der seitwärts tendierende USD-Index (DXY-Index) war zwischen 2001 und 2007, einer durch rasche Globalisierung und Deregulierung gekennzeichneten Phase, in einer deutlichen Baisse. Der Ausbruch der großen Finanzkrise lieferte dann ein falsches Signal für eine Trendumkehr. Die eigentliche Umkehr erfolgte erst im Jahr 2011. Wir erkennen derzeit keine Anzeichen, die diesen Unterstützungstrend für den Dollar ändern könnten.

USD-Index in einer Phase der Globalisierung und Deregulierung (USD negativ) ggü. Deglobalisierung und Regulierung (USD positiv)

Quelle: Bloomberg, DPAM

Die Zentralbanken konkurrieren weiterhin in Bezug auf die Größe ihrer Bilanz und nicht bei den Zinssätzen. Daher ist die Bewertung der Währungen weniger durch Zinsdifferenzen als vielmehr durch unkonventionelle geldpolitische Strategien beeinflusst. Unkonventionell wird konventionell. Deshalb plädieren wir unermüdlich dafür, Investments über alle globalen Anleihensektoren hinweg zu diversifizieren. Wir schätzen das Potenzial von Euro-Staatsanleihen und der reifenden europäischen Investment-Grade- und Hochzinsmärkte weiterhin hoch ein. Engagements in mehreren Währungen sollten umsichtig, doch mit Zuversicht eingegangen werden. Global Unconstrained-Anleihen und Schwellenländerstaatsanleihen in Lokalwährungen sind Festzinskomponenten, die einen Hauptfaktor für die Gesamtrendite von Anlegerportfolios ausmachen.

Video
Share

Your name

Your e-mail

Name receiver

E-mail address receiver

Your message

Send

Share

E-mail

Facebook

Twitter

Google+

LinkedIn