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Klimawandel: Die Maßnahmen der Zentralbanken

von Ophélie Mortier,
Responsible Investment Strategist bei DPAM

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Als Reaktion auf die weltweiten öffentlichen Proteste gegen die Brände im Amazonas-Regenwald beschloss der jüngste G7-Gipfel eine Nothilfe und regte die Gründung der sogenannten „Alliance for the Amazon“ an – eine Koalition aus Ländern, die entschlossen sind, zum Schutz des Regenwaldes beizutragen. Die Allianz erhielt zudem Unterstützung von Jamaika und Katar, und Berichten zufolge sind auch Argentinien, Chile und der Kongo bereit, sich ihr anzuschließen.

Das Bewusstsein für die klimatischen Herausforderungen nimmt weiter zu, und die derzeitige Dynamik macht ehrgeizigere und anspruchsvollere politische Maßnahmen immer wahrscheinlicher. Es gibt keine Alternativen, und angesichts der Bedeutung von Landwirtschaft und Biodiversität müssen wir uns auf Verschärfungen klimabezogener Vorschriften einstellen.

#InevitablePolicyResponse lautete dementsprechend der Hashtag der Weltorganisation für die Prinzipien verantwortlichen Investierens (PRI) auf ihrem jährlichen Gipfeltreffen in Paris am 11. September dieses Jahres.

Ist der regulatorische Druck für alle institutionelle Anleger gleich? Und wie sieht es beispielsweise mit den Zentralbanken und den Behörden für Finanz- und Geldpolitik aus, die im Zentrum des Finanzsystems stehen?

Die Bank of England, ein Vorreiter auf diesem Gebiet

In einer Rede aus dem Jahr 2015 sprach der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, von der „Tragödie am Horizont“ und der Bedeutung des Klimarisikos. Er wurde mit dem Argument, dass er seine Kompetenzen überschritten habe und über seinen Einflussbereich hinausgegangen sei, heftig kritisiert, wiederholte aber in seinen späteren Reden immer wieder die Bedeutung des Klimawandels.

Heute steht die Bank of England nicht mehr allein da. Auf Betreiben des „One Planet Summit“ im September 2017 wurde ein Netzwerk von Zentralbanken zum Thema Klimawandel gegründet. Auf diesem Gipfeltreffen beschlossen acht Zentralbanken, das „Network for Greening the Financial System“ (NGFS) zu gründen, um dem Übereinkommen von Paris Nachdruck zu verleihen. Heute hat diese Initiative bereits 42 Mitglieder und acht Beobachter (Zentralbanken und Aufsichtsbehörden). Sie veröffentlichten ihren ersten Bericht im Oktober 2019 und unterzeichneten im April 2019 eine Erklärung, wonach der Klimawandel finanzielle Risiken birgt und daher ganz klar ein Teil ihres Mandats sein muss. In dieser Gruppe und bei ihrer Erklärung fehlten allerdings einige bedeutende Akteure, wie die Notenbanken der USA und Japans.

Die Bank of England übernimmt weiterhin eine Führungsrolle in diesem Bereich. Vor Kurzem kündigte sie die Ausarbeitung von Stresstests für Banken und Versicherungen im Hinblick auf das Klimarisiko an. 2021 soll sogar ein Stresstest für das gesamte englische Finanzsystem durchgeführt werden, um seine Widerstandsfähigkeit gegenüber den mit dem Klimawandel verbundenen finanziellen Risiken zu beurteilen.

Europäische Zentralbank und Europäische Investitionsbank: Ein Nullsummenspiel?

Die Europäische Zentralbank (EZB), wie auch die Mehrheit aller Zentralbanken, wurde erst in jüngster Zeit in die Thematik mit einbezogen, räumt heute aber ein, dass der Klimawandel eine der größten Bedrohungen für die Stabilität des Bankensystems der Eurozone ist. Zudem ist sie Mitglied des NGFS.

Eine interessante Studie(1) kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass zwischen den Anforderungen der Europäischen Kommission und ihrem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen einerseits und dem Programm der quantitativen Lockerung der EZB andererseits eine mangelnde Konsistenz besteht.

Die Autoren Stefano Battiston und Irene Monasterolo veranschaulichen das Ausmaß, in dem das Anleihenkaufprogramm der EZB in diejenigen Sektoren investiert, die am meisten Kohlendioxid ausstoßen. Der überwiegende Teil der Investitionen wurden nämlich in den Sektoren mit der höchsten Kohlenstoffintensität getätigt, wie Verkehr (z.B. VW, Daimler oder BMW), fossile Energien, Versorger (Electricité de France und Engie), sowie in Branchen mit hohem Energieverbrauch.

Das im März 2015 von EZB-Präsident Mario Draghi aufgelegte Programm der quantitativen Lockerung zielte darauf ab, die Realwirtschaft anzukurbeln und die Effekte der geldpolitischen Lockerung zu verstärken. Das ursprünglich für Staatsanleihen vorgesehene Programm wurde im Juni 2016 auf Unternehmensanleihen ausgeweitet. Im Rahmen dieser Maßnahme, die im Januar 2019 vorerst endete, kaufte die EZB Anleihen mit einem Gesamtwert von 177 Milliarden Euro, die von 237 Unternehmen begeben wurden. Zudem teilte sie mit, dass sie fällig werdende Anleihen durch andere zulässige Anleihen ersetzen werde. Somit sind nicht nur die bereits getätigten Käufe zu berücksichtigen, sondern auch die künftigen Käufe.

Fazit ist, dass das Anleihenkaufprogramm der EZB nicht zum Erreichen der Ziele der Europäischen Kommission für 2030 beigetragen hat und dies auch in Zukunft nicht tun wird, insbesondere weil grünen Anleihen nur ein geringer Stellenwert beigemessen wird. Es sei daran erinnert, dass die Europäische Kommission den Finanzierungsbedarf für erneuerbare Energien und sauberen Strom mit jährlich fast 180 Milliarden Euro veranschlagt hat, um ihre Ziele bis 2030 zu erreichen.

Zudem zeigen verschiedene Studien, dass die mangelnde Abstimmung der Anlagepolitiken (einschließlich des EZB-Kaufprogramms) auf die Energiewende zu bedeutenden Verlusten für Anleger sowie Institutionen für finanzielle Entwicklung oder Regierungen führen können, deren Portfolios bedeutende Engagements in Sektoren mit hohen Kohlendioxidemissionen haben.

Die Europäische Kommission und EZB-Präsidentin Christine Lagarde haben bereits signalisiert, dass sie an einer besseren Konsistenz zwischen ihren Klimazielen und entsprechenden Investments arbeiten werden.

Es ist in der Tat erstaunlich, dass die Investitionen der EZB so wenig auf die Klima-Agenda abgestimmt sind. Auf der internationalen Konferenz zu den Prinzipien für verantwortliches Investieren im vergangenen September erinnerte Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank (EIB), daran, wie wichtig es ist, Finanzierungen in Richtung nachhaltiger Investitionen zu lenken, und betonte noch einmal die Gefahr für Anleger, auf unveräußerlichen Vermögenswerten sitzen zu bleiben.

Die Europäische Investitionsbank oder die „Klimabank“

Diese Worte verwendete Ursula von der Leyen, die künftige Präsidentin der Europäischen Kommission, in einer Rede vor dem EU-Parlament, um die EIB als diejenige Bank zu bezeichnen, die gefordert ist, die grünste Politik der Kommission zu unterstützen.

Wenn die EZB schon nicht als beispielhafte Zentralbank dasteht oder eine führende Rolle beim Thema Klimawandel übernimmt, sollte wenigstens die EIB das angeschlagene Image wieder aufpolieren. Denn als bedeutender Geldgeber, insbesondere als Emittent grüner Anleihen und Finanzierer verschiedener Entwicklungsprogramme, hat die Bank auch die Überlegung verlauten lassen, sich möglicherweise bis Ende 2020 aus fossilen Energien komplett zurückzuziehen. Der Plan muss von den 28 Mitgliedstaaten noch genehmigt werden und könnte einen bedeutenden Wendepunkt für die Zentralbanken und andere supranationale Organisationen markieren, die mit der Frage eines grünen Finanzwesens befasst sind. Die EIB hat im vergangenen Jahr Projekte im Bereich fossiler Energien mit einem Volumen von bis zu 2,5 Milliarden Euro finanziert, bei denen es sich vorwiegend um Pipeline-Projekte handelte.

Der Klimawandel ist ein finanzielles Risiko

Die wichtige Aufgabe der Zentralbanken ist es, eine geeignete Geldpolitik zu betreiben, um möglichen Schocks entgegenzutreten, denen die Wirtschaft ausgesetzt sein kann. Bisher hatten die meisten klimabezogenen Schocks nur relativ kurzfristige und begrenzte Auswirkungen. Der Klimawandel ändert jedoch die Spielregeln und macht diese Risiken extremer und unkalkulierbarer. Der zentrale Motor des weltweiten Finanzsystems, die Zentralbanken, wie auch alle professionellen Anleger haben vor allem die treuhänderische Pflicht, die Faktoren Umwelt (insbesondere den Klimawandel), Soziales und Governance in ihre Strategien und Entscheidungsprozesse für ihre Anlagen mit einzubeziehen. Um für eine vollständige Übereinstimmung mit den von den verschiedenen Regierungsbehörden auferlegten Vorschriften zu sorgen, wäre es ebenso legitim zu erwarten, dass Zentralbanken und Profi-Investoren ein Pflichtbewusstsein bzw. ein Gefühl für die moralische Verantwortung mit Blick auf die Finanzierung der Umweltziele entwickeln.

Über die vielen in den vergangenen Jahren eingeleiteten Initiativen hinaus ist es nun an der Zeit, gemeinsam zu handeln.

(1)„How could the ECB’s monetary policy support the sustainable finance transition?“ – Autoren: Stefano Battiston (Universität Zürich und Finexus Center) und Irene Monasterolo (Wirtschaftsuniversität Wien), Fassung vom 22. März 2019.

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