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CIO’S VIEW

Verlieren die Vereinigten Staaten gegenüber China an Boden?

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Von Yves Ceelen,
Head of Institutional Portfolio Management bei DPAM

Ein Anlagethema oder ein Investitionsrahmen ist das Ergebnis der Lösung eines Puzzles. Am Anfang steht eine Idee, die wächst, wenn man immer wieder hinterfragt, was passiert oder was passieren könnte, bis plötzlich alles Sinn macht. Das Ziel dieses CIO’s View besteht nicht darin, Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen. Es geht darum, eine Idee zu skizzieren, die den Investitionsrahmen für das neue Jahrzehnt festlegen könnte.

Kein Imperium währt ewig

Im 20. Jahrhundert riss sich Europa selbst auseinander, indem es im Zentrum zweier Weltkriege stand. Die Gründung der Europäischen Union war ein Versuch, Europas frühere Führungsposition wiederzuerlangen, doch standen viele Schwierigkeiten im Wege. Obwohl die EU seit ihren Anfängen bedeutende Fortschritte gemacht hat, können wir nicht umhin uns zu fragen, ob Europa in absehbarer Zeit wieder eine Führungsrolle übernehmen wird. Die USA übernahmen diese von Europa, indem sie sich im Machtvakuum der Nachkriegszeit positionierten. In der Folge blühten die Vereinigten Staaten auf und wurden zur einzigen Supermacht der Welt.

Eine der wichtigsten Fragen lautet heute: „Werden die USA in der Lage sein, ihre Vormachtstellung zu behalten?“ Seit Präsident Trump den Handelskrieg mit China begonnen hat, ist der ‚Clash of Empires‘1 zwischen den USA und China ein immer wiederkehrendes Thema in den Gesprächen mit unseren Kunden. Trump hat China beschuldigt, ein Währungsmanipulator zu sein, denn Währungen spielen offensichtlich eine wichtige Rolle im Welthandel.

Lassen Sie uns etwas tiefer in die Geschichte dieser Auseinandersetzung eintauchen. Im Jahr 2015 wurde eine europäische Großbank von einem US-Gericht wegen Verletzung der amerikanischen Sanktionen gegen den Sudan, Kuba und den Iran in Höhe von 8,9 Milliarden US-Dollar verurteilt, infolgedessen die Bank Vergleichszahlungen leistete. Es war genau dieser Zeitpunkt, als die USA ihren Greenback zu einer ‚Waffe‘ machten, indem sie effektiv die drei Parteien instrumentalisierten, die in internationalen US-Dollar-Geschäften stets beteiligt sind, nämlich Käufer, Verkäufer und die Vereinigte Staaten selbst. Dabei wandten die USA amerikanische Gesetze auf eine internationale Transaktion an, und zwar allein auf der Tatsache, dass es sich um einen Deal in US-Dollar handelte. Zu diesem Zeitpunkt wurde vielen Ländern und Unternehmen klar, dass sie wachsamer sein mussten. Für einige Länder bedeutete dies auch, dass sie überdenken mussten, wie sie Finanztransaktionen durchführen sollten. War dies bereits der Anfang vom Ende der Hegemonie der USA?

Der Konflikt der gegenwärtigen US-Regierung mit China geht über den reinen Handel hinaus. Wie bereits erwähnt, geht es auch um Technologie. China macht auf diesem Gebiet bedeutende Fortschritte und konzentriert sich dabei auf gleich mehrere Spitzentechnologien wie 5G, Künstliche Intelligenz, die Renminbi-Krypto-Währung oder Quantencomputing. Die USA ist es zwar gelungen, den chinesischen Telekomausrüster ZTE zu blockieren, aber wird es ihnen auch gelingen, Huawei im Zaum zu halten? Das technische Schlachtfeld nimmt immer mehr an Bedeutung zu, letztlich wirkt es sich auch auf die militärische Stärke aus.

Man kann ohne Zweifel behaupten, dass die USA unter der Trump-Präsidentschaft aggressiver geworden sind. Sein chinesischer Widersacher Xi Jinping unterscheidet sich derweil in vielerlei Hinsicht sehr von seinem Vorgänger Hu Jintao. Xi hat sich als Chinas starker Mann positioniert und ist entschlossen, China nicht nur als wirtschaftliche Kraft, sondern auch als politische und militärische Supermacht zu etablieren. Werden die Spannungen unter Berücksichtigung von Xis Entschlossenheit und Trumps Bestreben, für weitere vier Jahre Präsident zu bleiben, nachlassen?

Hat die derzeitige US-Regierung den Aufstieg Chinas beschleunigt?

In den vergangenen Jahren haben die USA auch in Übersee nicht wirklich viel Stärke gezeigt. In den ersten Wochen seiner Amtszeit torpedierte Trump die transpazifische Partnerschaft TPP, die von Präsident Obama gestartet worden war, um u.a. Chinas Macht in Asien zu begrenzen. Stattdessen konzentrierte sich Trump auf bilaterale Abkommen, die sich als sehr zeitaufwändig und vorerst wenig nutzbringend erwiesen. Die USA haben nach den Gräueltaten in Syrien nicht eingegriffen. Davor wurde Russland nur bei der Annexion der Krim sanktioniert. Die USA, die einst als Weltpolizist galten, finden es heute zu kostspielig, international einzugreifen. Verlieren die Vereinigten Staaten ihren weltpolitischen Einfluss?

China hingegen vergrößert langsam aber sicher seinen internationalen wirtschaftlichen und politischen Einfluss, indem es zum Schutz seiner Grenzen Militärstützpunkte auf den Seikaku-Inseln errichtet und seinen Einfluss auf Hongkong früher als vorgesehen vergrößert. Vor allem hat China die „Belt & Road“-Initiative eingeführt, um die Infrastruktur in ganz Asien, Eurasien, Afrika und Osteuropa aufzubauen. Wussten Sie, dass China heute mehr in „Belt & Road“-Länder wie Pakistan und Indonesien exportiert als in die USA? Was ist, wenn die USA in ein paar Jahren China mehr brauchen als China die USA? Die Eisenbahnen, die von Peking nach Europa führen, werden Reisezeiten und -kosten halbieren. Wird Peking zum Herrscher über den Boden, während die USA die Meere beherrschen? Während sich die USA immer mehr nach innen orientieren, versucht China aktiv, sich zum neuen globalen Akteur zu entwickeln.

Selbst zu Hause scheint die US-Regierung die Kontrolle zu verlieren. Im Gegensatz zu Ländern wie Südkorea, Singapur und Hongkong haben die Vereinigten Staaten verspätet auf den Ausbruch von Covid-19 reagiert. Nicht weniger als 40 Millionen arbeitslose US-Bürger leben jetzt von Schecks, die, wenn sie nicht verlängert werden, im Juli auslaufen. Die Ermordung von George Floyd hat zu Massenprotesten geführt, wie wir sie seit 1968 nicht mehr erlebt haben. Wird Trump angesichts dieser zahlreichen erfolglosen Entwicklungen wiedergewählt werden? Werden vier weitere Jahre einer Trump-Präsidentschaft den Niedergang der Vormachtstellung der USA beschleunigen? Können Joe Biden und sein Nachfolger die US-Dominanz verlängern und Demokratie und Freiheit fördern? Es scheint noch nicht zu spät, aber die Uhr tickt. Während US-Unternehmen noch immer führend auf ihrem Gebiet sind und Firmen wie SpaceX die Stärke der US-Technologie zeigen, nimmt der politische Einfluss ab.

Stück für Stück werden die Teile des Puzzles hervortreten und entsprechende Investitionen getätigt werden. Wird Asien eine prominentere Rolle in den Portfolios spielen? Wahrscheinlich schon, aber das Tempo, in dem Asien die USA ersetzt, wird auch von den internationalen Rahmenbedingungen abhängen.

1Titel eines Buches von Gavekal

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