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EU-Regulierung für ein nachhaltiges Finanzwesen: Eine große Herausforderung

Von Ophélie Mortier,
Responsible Investment Strategist bei DPAM

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Seit der Krise von 2008 wurden neue und bedeutende Bestimmungen für den Finanzsektor ausgearbeitet. Angesichts der schnellen Zunahme sogenannter nachhaltiger und verantwortlicher Anlagen war abzusehen, dass die Finanzbehörden auch auf diesen Themenbereich eingehen würden. Die Schaffung eines aufsichtsrechtlichen Rahmens für Nachhaltigkeit und die Verantwortung von sowohl Finanz- als auch Nicht-Finanzunternehmen ist schnell vorangeschritten. In den vergangenen Monaten gab es eine Flut von Verordnungen.

Die Ursprünge sind im Aktionsplan der Europäischen Kommission von 2018 zu finden, insbesondere in den drei Schlüsselzielen bei den Bemühungen der Kommission um ein nachhaltiges Finanzwesen:

01

Umleiten von Kapital an die Realwirtschaft für nachhaltiges Wachstum;

02

Anerkennen, dass Umwelt- und vor allem Klimarisiken systemische Risiken sind, die ermittelt, gemessen, gemanagt und überwacht werden müssen;

03

Fördern von Transparenz und langfristigen Investitionen.

 

UMLEITEN VON KAPITAL AN DIE REALWIRTSCHAFT

Der Green Deal der Europäischen Kommission (EK) nimmt die Umweltziele der Europäischen Union (EU) auf, die Klimaneutralität bis 2050 anstreben. Hierzu konzentriert sich der Pakt auf fünf konkrete Themen: Energiesicherheit und saubere und bezahlbare Energie, Biodiversität, null Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft sowie nachhaltige Lebensmittelproduktion.

Ebenso auf konkrete Themen fokussiert ist die europäische Taxonomie, ein weiterer Rahmen, der zurzeit die Bereiche Minderung des Klimawandels bzw. Anpassung an den Klimawandel abdeckt, aber auf weitere Ziele der Kommission ausgeweitet wird, wie Prävention von Umweltverschmutzung, Abfallwirtschaft (für Mitte 2021 geplanter delegierter Rechtsakt) und das Gleichgewicht von Ökosystemen und Gewässerschutz (für Mitte 2022).

Mit der Verpflichtung für Finanzmarktteilnehmer, ab 2022 ihre Investitionen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie in nachhaltige Sektoren gehören, die in der Taxonomie definiert sind, fördert dieser neue Rahmen direkt oder indirekt Investitionen in grüne Aktivitäten. Ein Investmentfonds mit Umweltzielen muss weitgehend auf die Taxonomie ausgerichtet sein; die Glaubwürdigkeit seines Prozesses steht auf dem Spiel. Eine unglückliche Nebenwirkung des aktuellen Rahmens ist jedoch, dass ein Fonds, der sich ausschließlich auf soziale Ziele fokussiert, eine Übereinstimmung mit der Taxonomie von 0% hat.

Andererseits steht die Verordnung über „kohlenstoffarme“ Indizes im Einklang mit Zielen wie der Bekämpfung von Grünfärberei und der Förderung von Finanzprodukten mit Umwelt- und Klimazielen. Zwei neue Kategorien von Indizes wurden jüngst von der Kommission definiert, nämlich Indizes zum Klimawandel und auf das Pariser Abkommen ausgerichtete Indizes. Sie haben zum Ziel, die Transparenz bei den Kriterien und der Methodik, die von den Indexerstellern verwendet werden, zu verbessern.

Schließlich bekämpfen die neuen Standards der Kommission für grüne Anleihen den Problemfaktor Grünfärberei durch die Schaffung eines klar definierten Rahmens von Mindeststandards, die erfüllt werden müssen, um die Bezeichnung grüne Anleihe zu erhalten und als Emittent zu gelten, der zur Energiewende und zu einem nachhaltigeren Finanzwesen beiträgt.

Daher befinden sich viele Dokumente der europäischen Gesetzgebung in der Pipeline oder sind bereits verabschiedet und decken, wenngleich nicht perfekt, viele Aspekte der Finanzmärkte ab, um konkrete Ergebnisse im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu erzielen.

DAS KLIMARISIKO IST SYSTEMISCH

Auf einer Linie mit dem, was der frühere Gouverneur der Bank of England vor einigen Jahren gefordert hat, werden Umweltrisiken und insbesondere das Klimarisiko jetzt von der EU offiziell als wesentliche und finanzielle Risiken anerkannt und müssen daher analysiert, gemanagt und überwacht werden wie andere finanzielle Risiken auch. Dieses Management gehört jetzt zu den treuhänderischen Pflichten jedes Portfoliomanagers.

Hier setzt die Offenlegungsverordnung (SFDR) an, die auch auf mehr Transparenz abzielt.

Diese Verordnung enthält die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Informationen über die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und die Förderung von ökologischen oder sozialen Aspekten beim Treffen von Anlageentscheidungen. Ziel ist es, unter anderem sicherzustellen, dass Anlageprodukte dem Profil entsprechen, das für den Anleger geeignet ist und von ihm gewünscht wird, sodass er in der Lage ist, eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen. Die Auswirkungen dieser Verordnung werden auf allen Ebenen der Tätigkeit von Finanzinstituten spürbar sein – von der Konzeption neuer Richtlinien und Programme bis hin zu deren Umsetzung durch neue Prozesse, u. a. in der IT mit der Datenspeicherung, und durch eine neue Herangehensweise an Produkte und Verträge.

Diese geforderte Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Anlageentscheidungen wird zunehmend formalisiert und in Änderungen von bestehenden Richtlinien der Kommission und anderen Vorschriften näher ausgeführt werden. Sie ist beispielsweise bereits in der Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) verankert, wird aber durch die Revision anderer Richtlinien und Verordnungen für den Sektor noch verschärft. Dasselbe gilt für den Versicherungssektor mit der geplanten Revision der Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive, IDD) und für das Kleinanlegersegment mit den geplanten Änderungen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID).

TRANSPARENZ UND LANGFRISTIGKEIT

Transparenz und insbesondere die Bekämpfung von Grünfärberei werden in verschiedenen verabschiedeten Texten untermauert. Man kann den nachhaltigen Charakter von Anlagen, Benchmarks oder Finanzinstrumenten fördern, sofern dieser nachhaltige Charakter klar definiert ist und die Möglichkeit besteht, Überprüfungen anhand von verfolgbaren und vergleichbaren Indikatoren und Informationen vorzunehmen.

Die SFDR-Verordnung erleichtert genau das. Doch sie geht über die bloße Verpflichtung zur Veröffentlichung von Daten hinaus, indem sie eine Klassifizierung von Finanzprodukten (Mandate und Investmentfonds) anhand von drei von der Kommission definierten Kriterien fordert: (1) „Nachhaltige“ Produkte mit ökologischen und/oder sozialen Zielen, (2) Produkte, die „ökologische oder soziale Eigenschaften fördern“, und (3) sonstige Produkte. Die Grenze zwischen den ersten beiden Kategorien ist immer noch sehr unscharf, und die technischen Texte, die Klarheit schaffen sollen, werden leider erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung (März 2021) zur Verfügung stehen. Zudem sind die Indikatoren und Informationen, die offengelegt werden müssen, wie bei vielen der jüngsten Verordnungen so komplex und technisch, dass die Umsetzung der Verordnung sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein wird. Aus diesem Grund ist der Finanzsektor in seiner Forderung nach einer Vereinfachung des Inhalts und der Verringerung der Anzahl von geforderten Indikatoren vereint.

Insbesondere bezüglich der Offenlegung dieser Nachhaltigkeitsinformationen gemäß den Anforderungen der SFDR-Verordnung arbeitet die Kommission parallel an der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen. Diese Richtlinie gilt nur für eine begrenzte Zahl von Unternehmen, nämlich für europäische Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mindestens 34 Millionen EUR oder einer Bilanzsumme von mindestens 17 Millionen EUR. Doch das Anlageuniversum sogenannter nachhaltiger Fonds ist ungeachtet ihrer Kommissions-Kategorie nicht auf in Europa notierte Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung beschränkt.

Schließlich sei erwähnt, dass die SFDR-Verordnung auch für Portfolios gilt, die in Staatsanleihen investiert sind. Allerdings wurden alle erforderlichen Indikatoren für die Analyse von Unternehmen konzipiert und formuliert und lassen sich daher nur schwer auf die Analyse von Ländern übertragen.

Die Auswirkungen der oben erwähnten Richtlinie und der SFDR-Verordnung sind enorm und erzeugen einen Berichterstattungsaufwand, der Unternehmens- und Anlagestrategien, ihre Umsetzung sowie interne Richtlinien, die von Unternehmen im Bereich nachhaltigkeitsbezogener Offenlegung entwickelt wurden, in Frage stellt.

Die Herausforderung für die Kommission ist groß, da sie eine schwierige Balance finden muss zwischen:

    • dem dringenden Bedarf an Standardisierung eines Sektors, der sich von einer „Nischenanlage“ entwickelt hat zu einem „Sektor, der zur Lösung drängender Umweltkrisen beitragen kann“, und

    • der Notwendigkeit, unbeabsichtigte Effekte zu vermeiden, die durch eine zu enge und inflexible Regulierung entstehen und zu einem übertriebenen und möglicherweise kontraproduktiven System von Verfahren und Verpflichtungen im Hinblick auf Verwaltung und Berichterstattung führen.

 

Zur Erinnerung sei erwähnt, dass es letztendlich das Ziel ist, bis 2030 knapp 180 Milliarden Euro für die Finanzierung des europäischen Programms für nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren.

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