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Die Zukunft börsennotierter Immobiliengesellschaften ist nachhaltig

Von Florent Griffon,
Responsible Investment Specialist bei DPAM

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Nachhaltigkeits- und Immobilienstrategien passten bis in jüngster Zeit nicht gut zueinander

In der Vergangenheit schienen Immobilienanlagestrategien und nachhaltiges Investieren nicht gut zueinander zu passen. In den frühen 2000er Jahren bauten viele Vermögensverwalter im Bereich nachhaltiges und verantwortliches Investieren (SRI) immer noch auf „Best-in-Class“- oder „Best-in-Universe“-Anlageprozesse, die in der Regel auf ESG-Ratings externer ESG-Ratingagenturen basieren, die lediglich Unternehmen mit den schlechtesten Bewertungen ausschließen. Diese Ansätze litten unter zwei Mängeln: ESG-Ratings für kleinere Emittenten im Immobiliensektor waren nicht verfügbar (da ESG-Ratingagenturen sie einfach nicht abdeckten), und wenn sie verfügbar waren, waren sie oft recht tendenziös. In der Regel schnitten kleinere Immobiliengesellschaften eher schlecht ab, was zu ihrem Ausschluss aus den Anlageportfolios führte. Auf der anderen Seite waren große Immobiliengesellschaften vielfach die einzigen, die ein ausreichendes ESG-Reporting für die Bewertung durch ESG-Ratingagenturen zur Verfügung stellten, und erhielten in der Regel die höchsten ESG-Wertungen. Dies erschwerte die Titelauswahl, sodass Portfoliomanagern interessante Anlagegelegenheiten vorenthalten wurden und ESG-Screenings weniger attraktiv erschienen. Folglich verzichteten viele Vermögensverwaltungsgesellschaften darauf, nachhaltige Ansätze zu verfolgen, sodass das Angebot nachhaltiger Immobilienstrategien begrenzt blieb.

Das ändert sich nun

Seit nunmehr einigen Jahren verändern sich die Dinge im Immobiliensektor. Aufgrund des zunehmenden aufsichtsrechtlichen Drucks (energieeffiziente Gebäudestandards, Zertifikate für grüne Gebäude usw.) und immer häufigerer Fragen seitens der Anleger verbessern viele Immobiliengesellschaften mittlerweile ihre nichtfinanzielle Berichterstattung und sorgen für mehr Transparenz. Dies erleichtert die Arbeit von ESG-Analysten in den ESG-Ratingagenturen und Vermögensverwaltungsgesellschaften und macht es somit einfacher, nachhaltige Immobilienstrategien zu entwickeln. Da das gesamte verwaltete Vermögen (AuM), das in nachhaltigen Immobilienstrategien angelegt wird, steigt, sind diese Unternehmen zunehmend motiviert, sich an die Nachhaltigkeitsanforderungen anzupassen. Dies setzt nach und nach einen Tugendkreis in Gang, der dem Immobiliensektor, nachhaltigen Anlegern und der Gesellschaft als Ganzes zugutekommt.

Erst die Säulen Umwelt und Governance und schließlich der Aspekt Soziales

Als Erstes hat sich dieser positive Trend auf die Säule Umwelt ausgewirkt. Infolge von verschiedenen nationalen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen zur Energieeffizienz von Gebäuden in den vergangenen fünfzehn Jahren musste jede Immobiliengesellschaft die Energieeffizienz der von ihr verwalteten oder entwickelten Immobilien verbessern. Zudem werden Daten über Energieeffizienz und CO2-Emissionen immer leichter verfügbar, und diese ESG-Leistungsindikatoren (KPI = Key Performing Indicators) können als Grundlage für Vergleiche ähnlicher Immobiliengesellschaften herangezogen werden. Ebenso können quantitative Kennzahlen verwendet werden, um den Anteil „grüner Gebäude“, die von einer Immobiliengesellschaft betrieben werden, die Energieeffizienz ihrer Vermögenswerte, ihren Wasserverbrauch, ihre Abfallerzeugung usw. einzuschätzen. Mit der sich verbessernden Verfügbarkeit von Umwelt-KPIs sind ESG-orientierte Anleger besser in der Lage, Chancen für nachhaltige Anlagen zu erkennen und somit in die für eine künftige kohlenstoffarme Welt am besten positionierten Gesellschaften zu investieren.

Aspekte der Governance sind gleichermaßen wichtig und für Immobiliengesellschaften potenziell von wesentlicher Bedeutung. In vielen Immobiliengesellschaften ist der Gründer immer noch ein bedeutender Aktionär und leitet oft auch das Unternehmen. In diesem Zusammenhang sollte ein verantwortlicher Anleger dem Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären besondere Aufmerksamkeit schenken, vor allem dem Maß an Unabhängigkeit zwischen dem Verwaltungsrat und seinen Ausschüssen, der Struktur der Vergütung der Abschlussprüfer, den für die Emission von Eigenkapital geltenden Regeln, eventuellen Transaktionen mit verbundenen Parteien oder jeglicher Abweichung von einer Struktur mit nur einer Aktienklasse. Ebenso können verantwortliche Anleger die Risiken von Strafen oder nachteiligen Gerichtsurteilen verringern, indem sie effiziente Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung von Unternehmen fordern. Ein gut konzipiertes Whistleblower-System und ein wenig Schulung können zur Minderung dieser rechtlichen Risiken beitragen. Indem diese Risiken vorab richtig eingeschätzt werden, kann ein Nachhaltigkeitsansatz dabei helfen, unerwünschte Volatilität in einem Anlageportfolio zu reduzieren.

Die Säule Soziales hat den Ruf, unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten schwieriger zu analysieren zu sein, hauptsächlich weil quantitative KPIs weniger oft zur Verfügung stehen. Doch wesentliche Aspekte wie Kundenzufriedenheit (z. B. Beziehungen zu Mietern), Beziehungen zu lokalen Gemeinschaften und Behörden oder der Umgang mit Humankapital sind relevant und von wesentlicher finanzieller Bedeutung für Immobilienunternehmen. Immobilien müssen von Natur aus gut in ihr Umfeld integriert sein – unter physischen Gesichtspunkten, aber auch im Hinblick auf ihre Interessengruppen. Immobilienunternehmen brauchen gute Beziehungen zu lokalen Behörden und Mietern, um ihre „Licence to operate“ zu erhalten und ihre künftige Entwicklung voranzutreiben. Daher müssen Immobilienunternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, auch gute Leistungen in sozialer Hinsicht erbringen. Durch die Auswahl von Immobiliengesellschaften mit den besten ESG-Fundamentaldaten mindern nachhaltige und sozial verantwortliche Anleger Risiken und bereiten ihr Anlageportfolio auf die „Welt von morgen“ vor.

Wichtigkeit wird kommen

Und diese „Welt von morgen“ könnte schneller kommen, als man glaubt. In Europa sind die Bestimmungen zur Energieeffizienz von Gebäuden heute bereits wesentlich strenger als noch vor zehn Jahren. Nach der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD)1 müssen beispielsweise alle neuen Gebäude in der EU bis Ende dieses Jahres einen Energieverbrauch von nahezu null haben.

Doch diese Bestimmungen reichen nicht aus, und die Immobilienbranche sollte sich in naher Zukunft auf noch strengere Normen und Anreize einstellen. Heute haben Immobilien einen Anteil von etwa 40% an den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen2. Trotz der bei der Gebäudeeffizienz erzielten Fortschritte nehmen Treibhausgasemissionen aus Gebäuden weltweit immer noch um rund ein Prozent pro Jahr zu. Dies ist auf weltweite demografische Entwicklungen und den steigenden Anteil der Weltbevölkerung mit Zugang zu besseren Wohnbedingungen zurückzuführen. Um weltweit einen Temperaturanstieg von unter 2 Grad zu erreichen, müssen die Emissionen im Gebäudebereich gegenüber den aktuellen Niveaus bis 2060 weltweit um 85% gesenkt werden3. In der EU liegt der Trend zurzeit bei -30%4, und andere Regionen der Welt liegen noch darunter. Zudem könnten sich die Treibhausgasemissionen bei einem weiteren „Business-as-usual“-Szenario bis 2050 verdoppeln oder verdreifachen5. Dies zeigt, dass das derzeitige Ausmaß der Bemühungen eindeutig unzureichend ist, um die künftigen Auswirkungen des Klimawandels zu mindern. Es besteht ganz offensichtlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass mit massiven staatlichen Eingriffen und einer weiteren Verschärfung der Energieeffizienzstandards für Gebäude in Europa und anderswo zu rechnen ist.

Gebäudebezogene CO2-Emissionen im schnelleren Übergangszenario der IEA 2017-2050 (IEA 2019)6

Hinweis: Indirect CO2, emissions result from upstream generation of electricity and heat used in buildings

Quelle: International Energy Agency, Perspectives for the Clean-Energy Transition, The critical role of buildings, April 2019

Dies könnte einen erheblichen Teil von Immobilien unrentabel machen und zu „Stranded Assets“ führen. So müssen beispielsweise in Großbritannien ab April 2030 alle vermieteten Büroimmobilien ein Energy Performance Certificate (EPC) „B“ oder „C“ haben (deren Standard von der Regierung noch festgelegt werden muss). Beim zurückhaltendsten Szenario „C“ wären 50% des Büroimmobilienbestands in Großbritannien betroffen7. Vermieter von Immobilien müssten geschätzte 2,8 Milliarden Euro in Renovierungen für mehr Energieeffizienz investieren, allein um diese Immobilien auf dem Markt weiter anbieten zu können. Und für den Zeitraum 2030-2050 werden weitere Anstrengungen erforderlich sein. Auf EU-Ebene muss das aktuelle Volumen an energetischen Gebäuderenovierungen mehr als verdreifacht werden, um die CO2-Ziele der EU für 2050 zu erreichen8. Somit ist der europäische Immobiliensektor als Ganzes mit einer sehr folgenreichen Herausforderung konfrontiert, und es werden erhebliche Investitionen getätigt werden müssen, allein um die Kontinuität der betrieblichen Tätigkeit aufrechtzuerhalten.

In künftige Gewinner investieren und einen Beitrag zu einem gesünderen Planeten leisten

Der Immobiliensektor wird sich in einem beschleunigten Rhythmus weiterentwickeln müssen. Dies ist eine Chance für die auf dem Weg zur Energiewende am weitesten fortgeschrittenen Akteure. Demzufolge laufen Unternehmen, die hinterherhinken und deren Gebäude mit energetischen Mängeln behaftet sind, Gefahr, dass ihr Immobilienbestand an Wert verliert oder sogar als Stranded Assets endet, da künftige Vorschriften es schlicht und einfach verbieten könnten, Gebäude mit geringer Energieeffizienz zu vermieten. Ebenso könnten Unternehmen, die die Robustheit ihrer Gebäude gegenüber Klimaereignissen (d. h. physische Risiken aufgrund des Klimawandels wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme) nicht sicherstellen, mit erhöhten Versicherungskosten oder geringerer Attraktivität ihrer Gebäude konfrontiert sein, was eine Minderung von deren Wert nach sich ziehen würde. Im Hinblick auf die soziale Säule werden Immobiliengesellschaften, die ein hohes Maß an Service sicherstellen, angemessene Mieten verlangen und über einen soliden Prozess für den Umgang mit Sorgen von Mietern haben, wahrscheinlich eine höhere Vermietungsquote erzielen und ihre „Licence to operate“ aufrechterhalten können. Hinsichtlich der Governance könnten Unternehmen, die Rechte von Minderheitsaktionären am besten respektieren und Vergütungspakete anbieten, die Anreize für eine langfristige Performance schaffen, für Anleger interessanter sein.

Da ein Umbruch im Immobiliensektor aufgrund von Regulierungsdruck in der Luft liegt, dürften ESG-Aspekte einen wesentlichen Charakter annehmen. Unternehmen, die diesen Nachhaltigkeitstrend am besten vorhergesehen haben, werden die Gewinner von morgen sein und sind damit die Anlagegelegenheit von heute. Die Zukunft des Immobiliensektors wird gewiss nachhaltig sein.

1 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:153:0013:0035:en:PDF
2 International Energy Agency: https://www.iea.org/topics/buildings
3 International Energy Agency : https://www.worldgbc.org/sites/default/files/UNEP%20188_GABC_en%20%28web%29.pdf
4 CE Delft : https://europeanclimate.org/content/uploads/2020/07/ecf–buildings-netzero-fullreport-v11-pages-lo.pdf
5 IPCC International Panel on Climate Change
6 https://www.iea.org/reports/the-critical-role-of-buildings
7 Exane, Oktober 2020
8 Europäische Kommission, November 2019

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