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Elektrifizierung von Fahrzeugen: Ein starker thematischer Trend

von Jonathan Graas,
Buy-side Equity Analyst – US Industrials

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Die Automobilwelt erlebt heute ihre größte Revolution seit der Einführung des Ford T-Modells vor rund einhundert Jahren. Dabei sind Elektrofahrzeuge überhaupt nicht neu. Der erste Prototyp wurde schon im 19. Jahrhundert entwickelt, kurz vor Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Doch die zunächst technologische Überlegenheit von Verbrennungsmotoren stellte Elektrofahrzeuge bis noch vor Kurzem in den Schatten.

Elektrofahrzeuge bieten viele Vorteile: Sie haben eine höhere Energieausbeute, lassen sich einfach produzieren und erfordern einen geringeren Wartungsaufwand (weniger drehende Teile) und ihre Antriebe funktionieren gut. Neben diesen Vorteilen sind unsere Gesundheit und die Umwelt die Hauptgründe, die für eine Umstellung auf Elektroantriebe sprechen.

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren: Ein Problem für die Volksgesundheit

Es ist hinreichend bekannt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren Gase ausstoßen wie CO2 und Stickoxid (NOx), die zur Erderwärmung beitragen. Ein noch wichtigeres Argument ist jedoch die Emission von Feinstaubpartikeln durch Verbrennungsmotoren. Allein diese Tatsache rechtfertigt die Umstellung auf Elektroantriebe.

Ob es sich um Diesel- oder Benzinfahrzeuge handelt – die Abgase enthalten bedeutende Mengen von Feinstaubpartikeln (kleiner als 2,5 µm), die tief in unsere Lungen eindringen und Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verursachen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Diesel und Benzin 2012 als krebserregend ein. Daher sollte sich die Debatte nicht auf die Frage „Diesel oder Benzin?“ konzentrieren, da beide extrem gefährlich sind.

Elektrofahrzeuge kommen schneller, als wir meinen

Wenngleich kein Zweifel daran besteht, dass Elektrofahrzeuge im Kommen sind, ist ihre Verbreitung noch sehr gering (unter 2 % der gesamten Fahrzeugverkäufe). Die hohen Kosten, kurze Reichweiten und der Mangel an öffentlichen Ladestationen können als Gründe hierfür angeführt werden. Es gibt jedoch viele Anzeichen dafür, dass die Verbreitungsrate von Elektrofahrzeugen in den kommenden Jahren stark ansteigen und auch die optimistischsten Prognosen übertreffen wird. Um von dieser Aussage zu überzeugen, müssen wir die drei Hauptfaktoren analysieren, die mit den derzeitigen Bedenken zusammenhängen, nämlich Infrastruktur, Regulierung und Batterien.

Der Bedarf an Infrastruktur wird überschätzt

Häufig wird argumentiert, dass der Mangel an öffentlichen Ladestellen ein Hindernis für die Umstellung auf Elektrofahrzeuge sei. Ist das etwa das Paradoxon von Henne und Ei? Zunächst einmal sollten wir uns die verschiedenen Optionen für das Laden von Elektrofahrzeugen anschauen. Es gibt nämlich drei Arten von Ladestationen: ultra-langsam, langsam und schnell.

Ultra-langsame Ladestationen sind diejenigen, die von Privatkunden genutzt werden und über eine begrenzte Netzleistung verfügen (einige Kilowatt). In den meisten Fällen erfolgt das Laden über Nacht. Nach Schätzungen können 70 bis 90 % des Ladebedarfs von Fahrzeugen zu Hause oder auf der Arbeit gedeckt werden. Somit erfolgt nur 10 bis 30 % des Ladens an öffentlichen Ladestationen.
Langsame Ladestationen ermöglichen das Laden von Fahrzeugen in 3 bis 4 Stunden. Diese Art von Ladegeräten findet man meistens im öffentlichen Bereich, oft in der Nähe von Geschäften oder Parkplätzen. Künftig wird es absolut normal sein, ein Fahrzeug zu laden, während man ins Restaurant oder ins Kino geht.
Schnelle Ladestationen ermöglichen schließlich, die Batterien des Autos in weniger als 30 Minuten zu laden. Dafür benötigen sie eine spezielle Infrastruktur. Mit der nächsten Generation von ultra-schnellen Ladestationen wird man ein Auto in weniger als 10 Minuten aufladen können. Diese Art des Ladens dürfte jedoch weiterhin von geringer Bedeutung sein und nur für Langstrecken genutzt werden, beispielsweise bei der Fahrt in den Urlaub.

Der Bedarf an öffentlichen Ladestationen wird überschätzt, da sie in den meisten Fällen nicht die genutzte Option sind. Man sollte wissen, dass das Aufladen von Elektrofahrzeugen etwas völlig anderes ist als das Tanken an der Tankstelle. Zudem investieren verschiedene Akteure in diesem Bereich, beispielsweise das von VW, Ford, BMW und Daimler gegründete Joint-Venture IONITY. Ölgesellschaften, Stromversorger und sogar Technologieunternehmen haben auf diesem Markt bereits investiert.

Ein Anschub durch die Regulierung

Die Regulierung im Bereich CO2-Emissionen wird in Europa und weltweit immer strenger. Diese Regulierung motiviert Autohersteller, Alternativen anzubieten, wie Hybrid- und Elektrofahrzeuge, um die vorgegebenen CO2-Grenzwerte nicht zu überschreiten. In jüngster Zeit haben verschiedene Regierungen und Kommunen angekündigt, dass sie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren einfach verbieten werden (bis 2040 in Frankreich und im Vereinigten Königreich) oder festgelegte Quoten für Elektrofahrzeuge einführen werden, wie es in China der Fall ist.

Und schließlich erleben Subventionen für den Kauf von Elektrofahrzeugen einen Boom. Norwegen ist ein sehr gutes Beispiel hierfür, da es Zuschüsse von bis zu 15.000 Euro pro Fahrzeug zahlt. Weitere gute Beispiele in dieser Hinsicht sind Südkorea, Dänemark und China. Ziel ist es, die kurzfristige Nachfrage zu fördern, indem die Preisdifferenz zwischen Fahrzeugen mit Verbrennungs- und Elektromotor geschlossen wird. Mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie wird diese Lücke immer kleiner, und die Subventionen werden allmählich auslaufen.

Richtung Parität von Elektro- und Benzinantrieben bis 2025

Batterien spielen eine äußerst wichtige Rolle, da bis zu 50 % der derzeitigen Kosten von Elektrofahrzeugen mit der Batterie zusammenhängen. Neben ihren hohen Kosten sind Batterien ein Hemmschuh für die Reichweite. Von einer Reichweite von 1.000 Kilometern sind wir noch weit entfernt. Aber wird diese Größenordnung von Reichweite wirklich gebraucht, wenn wir unsere Elektrofahrzeuge aufladen, während wir bei der Arbeit sind oder schlafen?

Seit einigen Jahren sind die Batteriepreise beständig gefallen, jedoch noch nicht tief genug, um mit Autos mit Verbrennungsmotor konkurrieren zu können. Wir befinden uns zurzeit an einem Wendepunkt. Denn der Preisverfall wird sich deutlich beschleunigen, was eine Parität von Fahrzeugen mit Elektro- und Verbrennungsantrieb bis 2025 möglich macht. Die Batterietechnologie entwickelt sich unglaublich schnell. Derzeit befinden sich mit Nickel angereicherte Kathoden in der Produktion. Sie verbessern die Leistungsfähigkeit ganz erheblich. Die nächsten Entwicklungen wie Festkörperbatterien befinden sich bereits in der Entwicklung. Sie werden für noch größere Leistung sorgen.

Neben dem technologischen Fortschritt hat die Massenproduktion bereits ernsthaft begonnen. Die Tesla Gigafactory in Nevada, die zurzeit die weltweit größte Menge an Batterien produziert, ist häufig in den Schlagzeilen. Doch tatsächlich gibt es bereits ein Dutzend Gigafactories, ganz abgesehen von den zahlreichen neuen Projekten. In diesem Programm der Massenfertigung spielt China eine sehr wichtige Rolle und wird ab 2020 einen Anteil von über 60 % an der weltweiten Produktion haben. Die Batterieherstellung wird den größten Teil des Bedarfs in den kommenden Jahren decken können und für eine Marktdurchdringung von 20 % bis 2020 ausreichen. Kurzfristig könnte es sogar Überkapazitäten geben, die Druck auf die Batteriepreise ausüben würden. Mittelfristig wird es jedoch zu bedeutenden Herausforderungen kommen, da die Nachfrage nach Batterien das Angebot übersteigen wird.

Welche Auswirkungen hat die Elektrifizierung von Fahrzeugen?

Die Elektro-Revolution verändert die Welt der Autobauer von Grund auf. Traditionelle Hersteller werden eine sehr schwierige Übergangsphase durchmachen, da Elektrofahrzeuge nicht besonders rentabel sind. Die Wertschöpfungskette verlagert sich vom Know-how bei Verbrennungsmotoren, die ansehnliche Renditen für die Hersteller abwerfen, hin zu Batterien, eingebetteten Technologien und Elektronik, die nicht zum Kerngeschäft der traditionellen Automobilproduzenten gehören. Die Gewinner der Zukunft findet man wahrscheinlich unter den Akteuren oder neuen Herstellern, denen es gelungen sein wird, diese entscheidenden Aspekte zu berücksichtigen.

Wie investieren wir heute in Elektrofahrzeuge?

Die vermutlich einfachste Möglichkeit besteht darin, in das Unternehmen zu investieren, das am bekanntesten für Elektrofahrzeuge ist, nämlich Tesla. Wir schauen uns bei jedem Thema, das wir als interessant ermittelt haben, die Wertschöpfungskette genau an, um diejenigen Unternehmen zu finden, die am besten aufgestellt sind. Im Falle von Elektrofahrzeugen investieren wir lieber in Automobilzulieferer, anstatt direkt in die Autohersteller. Ein Beispiel ist Infineon, der weltweit führende Lieferant von Leistungshalbleitern für die Automobilindustrie. Wir mögen Infineon wegen der hohen Markteintrittsbarrieren aufgrund sehr langer Testzeiten bei den Herstellern und den langfristigen Verträgen über den Lebenszyklus von Automodellen hinweg. Außerdem kann die Anzahl von Leistungshalbleitern in einem Elektrofahrzeug bis zu fünf Mal so hoch sein wie in einem traditionellen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Ein weiteres positives Beispiel ist Aptiv, ein Hersteller von Komponenten, aus denen das elektrische „Rückgrat“ eines Elektrofahrzeugs besteht, wie Stecker und Kabel. Auch hier wirkt sich die Verlagerung auf Elektrofahrzeuge zugunsten des Unternehmens aus. Darüber hinaus hat Aptiv eine gute Stellung bei Technologien für autonome Fahrzeuge.

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