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ESG AUSBLICK

Was uns die Pandemie über nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen lehrt

Von Ophélie Mortier,
Sustainable & Responsible Investment Strategist bei DPAM

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Es braucht nicht mehr erwähnt zu werden, welche Ausmaße ein „einfaches“ Virus sowohl in Bezug auf seine geografische Verbreitung als auch zwischen und innerhalb von Wirtschaftssektoren erreichen kann.

Aufgrund seiner Bedeutung und der großen Zahl betroffener Aktivitäten wurden die Auswirkungen von Covid-19 auf die einzelnen Wirtschaftssektoren sowie das soziale und psychologische Verhalten durch die Forschung bereits eingehend untersucht. Die Studien versuchen auch, bestimmte Szenarien einer Welt nach der Beendigung der Pandemie vorzustellen. Einige konzentrieren sich auf die stattgefundenen Umwälzungen, während andere zu der Annahme neigen, dass nach unserer Genesung einfach alles wieder so sein wird wie vorher.

Wie steht es in diesem Zusammenhang um nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen? Für viele ist es ein struktureller Trend, der schon vor den virusbedingt weltweiten Einschränkungen begonnen hat. Was sollten wir von der Entwicklung von ESG-Investitionen, ihrer möglichen Anpassung und ihrer globalen Leistung nun erwarten?

Wir möchten einen genaueren Blick auf die vier wichtigsten Lektionen werfen, die uns die Krise gelehrt hat:

1. NACHHALTIGE ENTWICKLUNG (vollständigen Artikel lesen)

Ein lohnendes Unterfangen unter allen Umständen

Die Pandemie und ihre schwerwiegenden Folgen für die Weltwirtschaft haben einmal mehr gezeigt, dass Unternehmen, die als „nachhaltig“ gelten, aus buchhalterischer und finanzieller Sicht widerstandsfähiger sind. Darüber hinaus schneiden sie besser ab als die Finanzmärkte.
Diese überlegene finanzielle Leistung hat sich nicht nur in höheren Renditen der Unternehmen, sondern auch in deren Risikoprofilen niedergeschlagen. Es spielt keine Rolle, ob die Beobachtungen auf den europäischen oder amerikanischen Märkten oder in den Schwellenländern gemacht werden – die Schlussfolgerungen bleiben stets die gleichen: Höheres Alpha bei geringerem Risiko (d.h. geringeres Konkursrisiko, geringere Abwärtskorrekturen der Rentabilitätsprognosen, niedrigere Renditevolatilität usw.).

Nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen konzentrieren sich auf Investitionen mit Überzeugung und mit Blick auf die mittel- bis langfristige Wertschöpfung. Folglich sind diese Investitionen nicht dazu gedacht, kurzlebige Blasen auszunutzen oder vorübergehende opportunistische Übernahmen in Betracht zu ziehen. Im Gegenteil, sie sollen Unternehmen bei ihrer Strategie der Wertschöpfung unterstützen. Dabei berücksichtigen diese nachhaltigen Unternehmen anstehende Innovationen und zukünftige Chancen und antizipieren alle potenziellen Risiken.

2. DIE VERTEIDIGUNG DER DREI ESG-DIMENSIONEN (vollständigen Artikel lesen)

Ein ganzheitlicher Ansatz: Mensch und Umwelt auf gleicher Augenhöhe

In den letzten Jahren haben immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse den Klimawandel in den Mittelpunkt der Medien, Diskussionen, Debatten usw. gerückt. Der ökologische Wandel ist auch für Investoren zu einem Anliegen geworden. Dieses Phänomen wird oft mit menschlichen Tragödien in Verbindung gebracht und geht daher über die rein ökologische Dimension hinaus. Nichtsdestotrotz haben sowohl die Klima- als auch die Umweltverantwortung im Hinblick auf regulatorische und moralische Verpflichtungen Vorrang vor anderen, insbesondere sozialen Fragen, aber diese glücklicherweise nie vollständig ersetzt.

Die Pandemie und die darauffolgende Gesundheitskrise haben mit dem sozialen Faktor den menschlichen Aspekt wieder in den Vordergrund gerückt.

Umweltexperten haben darauf hingewiesen: Die Übertragung des COVID-19-Virus vom Tier auf den Menschen wurde durch die massive und rasche Verschlechterung unserer biologischen Vielfalt verursacht. Dies zeigt, wie eng Umwelt- und Menschenfragen miteinander verflochten sind.

Investoren werden zunehmend gefordert sein, ihre soziale Verantwortung, insbesondere im Hinblick auf die Menschenrechte, zu übernehmen und zu demonstrieren.

Seit dem Ansatz einiger Pioniere vor etwa fünfzehn Jahren hat sich die Bewegung für nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen drastisch beschleunigt. Die COVID-19-Krise hat den strukturellen ESG-Trend nur noch verstärkt. Da diese Nischenbewegung den Mainstream erreicht hat, haben sich nachhaltige Praktiken weiterentwickelt und sind deutlich robuster geworden. Ausgehend von einem Reputationsansatz sind nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen nun zu einem Wirkungsansatz übergegangen. Heute sind Anleger aufgefordert, ihr Handeln aus einer globalen, ganzheitlichen Perspektive zu betrachten und ihre jeweiligen Auswirkungen (Impact) aufzuzeigen.

3. EINE NACHHALTIGE WIRTSCHAFTLICHE ERHOLUNG (vollständigen Artikel lesen)

Alle Interessengruppen setzen sich für das Gemeinwohl ein

COVID-19 betont den sozialen Faktor – und insbesondere das Humankapital – als eine wichtige Säule von Unternehmen. Es liegt zwangsläufig in der Verantwortung des Arbeitgebers, Präventiv- und Schutzmaßnahmen für seine Belegschaft zu ergreifen.

Eine stärkere Automatisierung könnte das Problem eines kontinuierlichen Geschäftsbetriebs in Krisenzeiten wie diesen lösen. Es ist sichtbar, dass dieser Prozess bereits in vollem Gange ist und sich im Laufe der Jahre kontinuierlich verbessern wird. Allerdings sind Maschinen nicht die Antwort auf alles. Sie ersetzen nicht das Individuum. Leider stellt die jüngste PISA-Studie der OECD fest, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler heute schlecht auf die Arbeitsplätze von morgen vorbereitet ist. Obwohl sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren stark verändert hat, haben unsere Bildungssysteme nicht Schritt gehalten.

Damit sind wir bei der Rolle der Regierungen: In einer Zeit, in der die internationale Zusammenarbeit zu einer wichtigen Grundlage geworden ist, hat das Verhalten der Länder aber auch rasch gezeigt, dass der Dialog und die Verfolgung eines gemeinsamen Ziels derzeit nicht in Sicht ist.

Zudem verheißt der wirtschaftliche Aufschwung Chinas nichts Gutes für das Klima. Und auch die wiederholten Provokationen des amerikanischen Präsidenten sind nicht förderlich für eine grüne und nachhaltige Erholung. Glücklicherweise hat zumindest die Europäische Kommission eine gewisse Bereitschaft gezeigt, in der Frage der Nachhaltigkeit voranzukommen.

Auch wenn Regierungen und Zentralbanken mit umfangreichen Maßnahmen der Krise entgegenwirken, muss insgesamt die Fähigkeit des globalen Finanzsystems in Frage gestellt werden, die Ziele des neuen Jahrhunderts zu erreichen. Es ist daher notwendig, weiterhin die wertvollen Lehren aus den jüngsten Krisen, einschließlich der aktuellen COVID-19-Pandemie, zu ziehen. Sie wird es uns ermöglichen, mittel- und langfristig ausgerichtet zu bleiben und kooperative Aktionen für ein nachhaltigeres wirtschaftliches und finanzielles Umfeld zu unterstützen.

Angesichts der gegenwärtigen Situation kann es ratsam sein, einige Prinzipien der Unternehmensführung flexibler als sonst anzugehen. Die COVID-19-Krise hat die Stakeholder-Governance im Gegensatz zur Aktionärs-Governance gestärkt. Die umfassendere Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Gesellschaft als Ganzes steht im Mittelpunkt der Debatte, ebenso wie die Suche nach einer ausgewogeneren Behandlung der verschiedenen Stakeholder. Die kontinuierliche Integration von ESG-Faktoren ermöglicht die Schaffung eines „Tugendkreislaufs“ mit längeren Anlagehorizonten und ESG-Best-Practices.

4. WIE EIN VERLANGSAMTER REGULIERUNGSFORTSCHRITT DIE INTERNATIONALEN AMBITIONEN GEFÄHRDEN KANN (vollständigen Artikel lesen)

Müssen wir befürchten, dass die Verschiebung wichtiger internationaler Meetings wie der Weltklimakonferenz in Glasgow (COP 26) die jüngsten Fortschritte bei verantwortungsbewussten Investitionen verlangsamen wird? Es ist wichtig, zwischen den Fortschritten bei der Regulierung nachhaltiger und verantwortungsbewusster Investitionen auf der einen Seite und den Fortschritten bei der ‚grünen‘ oder ‚sozialen‘ Regulierung, die sich mehr an die Wirtschaft und Regierungen richtet, auf der anderen Seite zu unterscheiden. Ebenso müssen wir zwischen europäischen und internationalen Ambitionen unterscheiden.

Im November 2019 hat die Europäische Investitionsbank ihre jüngste Investitionsstrategie veröffentlicht, die das Ziel verfolgt, ihre Finanzierungstätigkeit ab 2020 auf die Ziele des Pariser Abkommens auszurichten. Um dies zu erreichen muss jedoch sichergestellt sein, dass die Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs durch die Europäische Zentralbank die nachhaltigen Ziele der Europäischen Investitionsbank nicht zunichte macht.

Auf der Ebene der Europäischen Kommission zielt der sogenannte ‚Green Deal‘ darauf ab, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Die Einzelheiten dieser Initiative, die die EU dazu drängt, ihre Klimaambitionen zu erhöhen, sind noch weitgehend unbekannt. Sicher ist aber, dass der Green Deal erhebliche Auswirkungen auf alle Wirtschaftssektoren haben wird. Wir müssen auch in die Rückumwandlung bestimmter Teilsektoren oder Aktivitäten investieren, um einen ‚gerechten‘ Übergang zu gewährleisten. Diese Investitionen müssen innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre getätigt werden, sonst wird die aufgelaufene Verzögerung die Situation nur noch verschlimmern und die letztendlich benötigten Mittel erhöhen.

Die COVID-19-Krise zeigt, warum heute mehr denn je nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen eine klare und gemeinsame Sprache brauchen, um ihr strukturelles Wachstum zu unterstützen.

Zahlreiche Initiativen (z.B. die Empfehlungen des SASB, der GRI oder des TCFD) können verantwortungsbewusste Finanzpraktiker unterstützen. Ihre Vielfalt kann jedoch auch viel Verwirrung stiften. Die ‚Grüne Taxonomie‘ der Europäischen Kommission könnte sich potenziell mit diesem Thema befassen. Sie zielt nicht ausschließlich auf grüne Produkte ab, sondern berührt alle Finanzlösungen. Darüber hinaus kann sie sich sogar auf die Unternehmensführung und -strategie auswirken, indem sie bestimmte Geschäftsaktivitäten in Frage stellt oder künftige Fusionen und Übernahmen beeinflusst. Somit hat diese Strategie einen bedeutenden Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette von Investitionen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren auf die Finanzierung von Unternehmen konzentriert, die sich das Konzept der Stakeholder-Governance zu eigen gemacht und die Risiken und Chancen aktueller Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen klar erkannt haben.

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