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Taxonomie-Report der EU zum Klimawandel

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Von Ophélie Mortier, Responsible Investment Strategist bei DPAM

Taxonomie-Report der EU: 414 Seiten über den Klimawandel mit dem Ziel einer einheitlichen Definition von nachhaltigem Investieren

Am 18. Juni 2019 hat die von der Europäischen Kommission im Rahmen ihres Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen eingesetzte technische Expertengruppe (TEG) ihren zweiten, lange erwarteten (und gelegentlich gefürchteten) Bericht über die Taxonomie grüner Wirtschaftstätigkeiten vorgelegt.

Der insgesamt 67 Aktivitäten abdeckende Bericht bezieht sich auf eine einheitliche Klassifikation, die die Kommission im Bereich der Eindämmung des Klimawandels bzw. der Anpassung an den Klimawandel erreichen will.

Ursprung des Berichts

In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Europäische Kommission den Themen nachhaltiges Finanzwesen und nachhaltige Wirtschaft angenommen und ihre Entschlossenheit bekräftigt, dabei eine zentrale Rolle zu spielen. Im Rahmen ihres Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen hat die Europäische Kommission eine Gruppe von 35 Experten aus Finanzinstituten, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingesetzt. Mit Unterstützung 160 weiterer Experten hat diese ihren Vorschlag für eine Taxonomie bezüglich des Klimawandels vorgelegt.

Bei der Taxonomie handelt es sich um eine Liste von Aktivitäten in Verbindung mit Leistungskriterien zur Beurteilung ihres Beitrags zu sechs festgelegten Umweltzielen.

Die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie

Quelle: Natixis, DPAM

Dabei handelt es sich nicht um eine Liste von automatisch für ein grünes Finanzwesen in Betracht kommenden Aktivitäten, sondern vielmehr um die Bedingungen, die je nach Tätigkeit in einem 4-stufigen Prozess erfüllt werden müssen:

01

Wesentlicher Beitrag zur Erreichung mindestens eines der sechs Umweltziele.

02

Keine wesentliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele.

03

Einhaltung sozialer Mindeststandards (Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO).

04

Erfüllung technischer Screening-Kriterien.

 

CO2-Neutralität bis 2050

Die zweite Fassung dieses Berichts weitet die Anzahl der abgedeckten und untersuchten Aktivitäten von 24 im Dezember 2018 auf aktuell 67 aus. Dennoch fehlen weiterhin bedeutende Aktivitäten, wie Bergbau, Fischerei, Luftfahrt, Seetransport sowie Herstellung von Glas, Papier und Zellstoff.

Die Taxonomie strebt an, strenge Grenzwerte und ein technisches Screening zu definieren, um den Beitrag einer bestimmten Aktivität zu den sechs Zielen zu beurteilen. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Expertengruppe bislang nur auf die beiden ersten Umweltziele konzentriert hat.

Der Ansatz des Screenings ist das Ergebnis umfangreicher Arbeiten. Er soll pragmatisch sein, indem er mehrere Faktoren nutzt und Grenzwerte kombiniert, die entweder in absoluten oder relativen Werten ausgedrückt werden. Allerdings kam bereits Kritik an der Stringenz dieser Grenzwerte auf, die bislang noch weit von aktuellen Praktiken eines nachhaltigen Finanzwesens und in der Industrie und Wirtschaft zu beobachtenden Niveaus entfernt sind.

Mit Ausnahme von Kohle und Kernkraft, die de facto ausgeschlossen sind, bleiben sogenannte „braune“ Aktivitäten weiterhin zulässig, wenn sie als Übergangsaktivitäten betrachtet werden und weitere strenge Kriterien erfüllen. Die Stringenz der Grenzwerte und Kriterien orientiert sich an dem Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 bzw. dem damit verbundenen Auslaufen der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen.

Auswirkung und Einfluss

Die Taxonomie wird nur für institutionelle Anleger rechtlich bindend sein. Dies betrifft insbesondere OGAW, AIF und versicherungsbasierte Anlageprodukte, die den Grundsatz des „Comply or Explain“ einhalten müssen. Sie sind demgemäß verpflichtet zu erläutern, wie und in welchem Ausmaß sie die Taxonomie anwenden. Bei dem jetzt veröffentlichten Taxonomie-Bericht handelt es sich noch nicht um die endgültige Fassung, der somit in diesem Stadium noch kein rechtliches Gewicht hat.

Im September 2019 wird im Anschluss an das begonnene Konsultationsverfahren ein sogenannter „Trialog“ mit interinstitutionellen Gesprächen eingeleitet. Sobald eine Einigung auf EU-Ebene erzielt wird, kann die Verordnung, also die strengste, unmittelbar für alle geltende Form der europäischen Gesetzgebung, verabschiedet werden. Von dem Punkt an wird die Europäische Kommission parallel die delegierten Rechtsakte verabschieden, in denen die anzuwendenden technischen Kriterien definiert werden. Europäisches Parlament und Europäischer Rat haben dann zwei Monate Zeit, um Kommentare zu diesen Rechtsakten einzureichen. Gibt es keine Kommentare, gelten die Rechtsakte als angenommen. Danach ist das Inkrafttreten der Verordnung bezüglich der beiden Umweltziele des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen zum 1. Juli 2020 zu erwarten.

Wenngleich die Verordnung rechtlich nicht bindend ist, wird sie als Grundlage für einen EU-Standard für grüne Anleihen dienen und wahrscheinlich von Anlegern als Referenz für die Berichterstattung über die grünen Exposures ihrer Investments in den verschiedenen Anlageklassen herangezogen. Die Situation ist also vergleichbar wie bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG), die zwar keine aufsichtsrechtliche Rolle spielen, aber zunehmend als Maßstab für die Berichterstattung über die Auswirkungen von Fonds herangezogen werden. Es sei darauf hingewiesen, dass sich der Bericht in seiner Taxonomie nicht auf die SDGs bezieht.

Ein flexibler Rahmen

Es ist anzunehmen, dass sich der Wortlaut im Laufe der Zeit wahrscheinlich weiterentwickeln wird. Angesichts dessen wird bis Jahresende eine dauerhafte Plattform zum nachhaltigen Finanzwesen eingerichtet, auf der Fachleute aus der Finanz- und Unternehmenswelt vertreten sein werden. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, die Taxonomie im Hinblick auf Überprüfungen, Anpassungen und Compliance zu betreuen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass am 18. Juni 2019 folgende weitere Veröffentlichungen herausgegeben wurden:

  • Methodologie für EU-Klima-Benchmarks und Offenlegungen für Benchmarks, die die technischen Mindestanforderungen für kohlenstoffarme Indizes und ESG-Veröffentlichungen im weiteren Sinne beschreiben. Zusätzlich hierzu wurde eine sog. Klimawandel-Benchmark sowie eine Benchmark für auf die Klimaziele von Paris ausgerichtete Investitionen vorgeschlagen.
  • EU-Standard für grüne Anleihen, eine Richtlinie zur Förderung der freiwilligen Einhaltung von ‚Best Practices‘ im Green Bond-Markt.
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